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Schübelbach
05.05.2020
05.05.2020 09:00 Uhr

Heute danken wir unseren Hebammen

Nina Ziegler: «Mir kommen jedes Mal beinahe die Tränen, wenn ich sehe, dass alle glücklich sind und die Geburt genau so verlief, wie sich das Paar das gewünscht hat.» (Bild: Anouk Arbenz)
Nina Ziegler: «Mir kommen jedes Mal beinahe die Tränen, wenn ich sehe, dass alle glücklich sind und die Geburt genau so verlief, wie sich das Paar das gewünscht hat.» (Bild: Anouk Arbenz) Bild: Anouk Arbenz
Der Beruf der Hebamme wird heute in seiner Bedeutung vielfach unterschätzt. Wie vielfältig und wichtig der Beruf der Hebamme ist, steht am heutigen internationalen Tag der Hebamme im Vordergrund.

von Anouk Arbenz

Heute ist internationaler Hebammen-Tag. Hebammen sind gefragt wie nie, da sie nicht zuletzt die Fähigkeit besitzen, auf die individuellen Bedürfnisse von (werdenden) Müttern und Eltern einzugehen.

Wer sich mit der Geburt seines Kindes auseinandersetzt, steht bald schon vor der Entscheidung: Gebäre ich im Spital, zu Hause oder in einem Geburtshaus? Laut Christine Fässler aus Buttikon und Nina Ziegler aus Siebnen ist es für Eltern und Kind essenziell, dass sich die Mutter an ihrem Geburtsort absolut wohl fühlt. Ich habe die beiden Frauen bei ihrer Arbeit begleitet. 

Was brauchst du heute von mir?», fragt Christine Fässler die frischgebackene Mama in deren Wohnung in Siebnen, während sie den kleinen David wickelt. 19 Tage ist es her, seit die beiden Frauen mit Unterstützung des – damals baldigen – Papas den Kleinen gemeinsam auf die Welt brachten. Hier, in der Wohnung von Andrea Bunge und ihrem Partner. Im Badezimmer, genau genommen. Nur gerade 18 Minuten vergingen ab dem Zeitpunkt, als Christine Fässler die Wohnung erreichte, bis zu dem Moment, als David das Licht der Welt erblickte.

Seit diesem Tag war Fässler schon elfmal bei Bunges zu Besuch. In der ersten kritischen Phase täglich oder sogar zweimal pro Tag, um Gewicht, Temperatur und Atmung des Babys zu überwachen und die Eltern in der Säuglingspflege anzuleiten. Aber auch die plötzliche Elternrolle und die 24-Stunden-Belastung sind Themen, mit denen Fässler in der Anfangszeit mit den frischgebackenen Eltern spricht.

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Die Hebamme, unsere Vertraute

Einen Tag später und rund 30 Kilometer entfernt, im Zürcher Oberland, ist Nina Ziegler aus Siebnen ebenfalls dabei, ein Neugeborenes zu wickeln. Quentin kam erst einen Tag zuvor im Spital mit der Saugglocke zur Welt. Nun verbringen Mutter, Kind und Vater die Wochenbett-Zeit im Geburtshaus in Bäretswil. Eigentlich hätte Maja** auch im Geburtshaus gebären wollen.

Ihr erstes Kind hatte sie spät in der Schwangerschaft verloren, die Zeit damals im Krankenhaus hat sie schlecht in Erinnerung. «Wir fühlten uns nicht gut betreut.» Anders nun im Geburtshaus. «Hier schätzen wir die 1:1-Betreuung und das Familiäre.» Doch es gab Komplikationen und Maja brauchte eine PDA-Spritze gegen die Schmerzen, die sie nur im Spital bekommt. 

Nina überprüft den Herzton von Quentin und schaut sich seine Hautfarbe im Licht des Fensters an. Zufrieden übergibt sie den Kleinen seinem Vater. Anschliessend untersucht sie die Mutter und stellt ihr Fragen zu ihrem Befinden. Maja fragt, ob es normal ist, dass sie beim Stillen im Unterbauch ein starkes Ziehen spürt. Ziegler nickt und erklärt: «Beim Stillen wird Oxycotin ausgeschüttet, das kann Nachwehen auslösen. Das ist unangenehm, aber völlig normal.» 

  • Das Esszimmer im Geburtshaus Zürcher Oberland. (Bild: Anouk Arbenz)
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  • Ein Gebärzimmer im Geburtshaus Zürcher Oberland. (Bild: Anouk Arbenz)
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Fast jede Fünfte landet im Spital

Im Geburtshaus Zürcher Oberland AG in Bäretswil werden pro Jahr rund 400 Frauen betreut. Fälle wie Maja, die wegen des Wunsches nach einer PDA ins Spital gebracht werden, gab es im letzten Jahr 61. Sechs Frauen mussten vor der Geburt via Krankenwagen ins fünf Minuten entfernte Spital gebracht werden, da bei ihrem Kind beunruhigende Herztöne vernommen wurden, acht Frauen wurden nach der Geburt notfallmässig ins Spital gebracht, etwa wegen grossen Blutverlusts oder Problemen bei der Ablösung der Nachgeburt. 

Komplikationen und Verlegungen ins Spital gab es natürlich auch in der 27-jährigen Karriere von Christine Fässler. «Wenn es eine lebensbedrohliche Situation ist, die Schmerzgrenze erreicht ist oder ein Kind zwei Wochen nach dem Termin noch immer keine Anstalten macht, rauszukommen, gehe ich mit der Frau ins Spital.» 

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Für Andrea Bunge war ein starkes Vertrauensverhältnis zu ihrer Hebamme zentrale Bedingung für eine Hausgeburt. Dieses fehle im Spital oftmals, weil sich durch den Schichtbetrieb zwei bis drei verschiedene Personen um einen kümmerten. Da sie selbst im Pflegebereich in einem Spital arbeitet, kennt sie die Anonymität eines Spitals gut. «Manche suchen das natürlich, aber für mich ist das nichts.» 

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«Die Auseinander­setzung mit dem Geburtsort findet zu wenig statt.»
Christine Fässler, selbständige Hebamme aus Buttikon

Der Start ins Leben ist wichtig

«Frauen, die sich für eine Hausgeburt entscheiden, sind Frauen, die sich das zutrauen. Frauen, die davon überzeugt sind, dass Gebären ein natürlicher Prozess ist», beobachtet Christine Fässler. «Es sind auch Frauen, welche die Kontrolle darüber nicht verlieren möchten. Im Spital müssen sie sich den dortigen Gegebenheiten anpassen.» Sie ist überzeugt, dass sich viele werdende Mütter zu viele Sorgen machen und sich aus Sicherheitsgründen die Geburt im Spital planten. «Ich glaube, es würden sich mehr Frauen für eine Hausgeburt entscheiden, wenn sie schon früher mit einer Hebamme in Kontakt treten würden.»

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Ein weiterer Grund, weshalb sich Paare heute vergleichsweise wenig für eine Hausgeburt oder eine Geburt im Geburtshaus entscheiden, ist beim Frauenarzt respektive der Frauenärztin zu finden. Diese würden Schwangere oftmals direkt nach dem Spitalwunsch fragen, ohne weitere Optionen anzusprechen. Die Buttiknerin würde sich deshab wünschen, dass sich werdende Mütter, aber auch werdende Väter, mehr mit dem Geburtsort auseinandersetzen würden. «Ich bin überzeugt: Die Art und Weise, wie Kinder geboren werden, spielt eine Rolle fürs Leben.»

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Die selbständige Hebamme Christine Fässler bringt pro Jahr 20 bis 25 Kinder per Hausgeburt zur Welt. Insgesamt hat sie in ihrer Karriere 1055 Babys auf dieser Welt begrüssen dürfen. (Bild: Anouk Arbenz)

Ein vielseitiger Beruf

Zurück in einem der grössten Geburtshäuser der Schweiz. Zeit für die Früh-Rückbildung. (...) «Es geht darum, den Kreislauf wieder in Schwung zu bringen und sich etwas Entspannung zu gönnen», erklärt mir Ziegler. Mir wird langsam bewusst, wie vielseitig der Beruf der Hebamme ist, als ich Zieglers Aufforderung nachkomme, mich gedanklich in den Sand einsacken zu lassen, während ich neben zwei jungen Müttern auf dem Rücken liege und meine Augen schliesse. 

Genau diese Vielseitigkeit nennt Ziegler als Grund, warum sie sich nach ihrem Praktikum im Geburtshaus entschieden hat, zu bleiben, als ich sie nach der Session danach frage. «Im Spital arbeitet man hauptsächlich im Wochenbett oder hauptsächlich im Gebärsaal. Hier ist die Arbeit gesamtheitlich.» Daneben gefällt Ziegler auch die Nähe zu den Klienten: «Hier kann ich wirklich individuell auf das Paar und die Frau eingehen. Bei meinem Praktikum im Spital musste ich mich teilweise um sechs Frauen und Kinder gleichzeitig kümmern. Es war schlicht nicht möglich, sich mehr Zeit für jeden Einzelnen zu nehmen.»

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Die vollständige Reportage ist im «March-Anzeiger» und im «Höfner Volksblatt» zu lesen.

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Entstehung des internationalen Hebammentages

Im Jahre 1990, am Hebammenkongress der internationalen Hebammenvereinigung (International Confederation of Midwives) in Japan, wurde der Inernationale Hebammentag ins Leben gerufen. Am 5. Mai 1991 ist er erstmals durchgeführt worden. Heute ist der Tag ein Zeichen für die Solidarität zwischen den Hebammen und den Frauen auf der ganzen Welt. Dabei treten Hebammen an die Öffentlichkeit, um auf ihren Berufsstand, ihre Leistungen und Anliegen aufmerksam zu machen. Der diesjährige Slogan lautet: «Hebammen und Frauen: Feiert gemeinsam, demonstriert, mobilisiert und schliesst euch zusammen – jetzt!»

Anouk Arbenz, Redaktion March24/Höfe24