von Ruggero Vercellone
Beim Bau des neuen Steinbach-Viadukts über den Sihlsee ereignete sich am 6. Juni 2013 ein tödlicher Arbeitsunfall. Eine Rollplattform mit Baugerüst kippte damals und stürzte rund sechs Meter in den See. Ein 51-jähriger Arbeiter, der einen Hebekran bediente, wurde von der Plattform gegen eine Abschrankung gedrückt und anschliessend in den See mitgerissen.
Trotz Reanimation starb der Mann noch auf der Unfallstelle. Drei weitere Arbeiter, die sich auf dem Baugerüst befanden, wurden ebenfalls ins Wasser geschleudert. Sie verletzten sich aber nur leicht und konnten sich selbst retten.
Gutachter belastete alle fünf Beschuldigten Gegen fünf Personen – den Projektleiter, den Statiker und den Sicherheitschef der Gerüstbaufirma sowie die beiden Bauleiter – fand am Mittwoch und Donnerstag vor dem Strafgericht der Prozess statt.
Im Zentrum stand das Gutachten eines Sachverständigen, das für alle Beschuldigten sehr belastend ausfiel. Dem Statiker warf dieses vor, mit falschen Annahmen gerechnet zu haben, was dazu führte, dass das Gerüst instabil geworden sei. Dem Projektleiter wurde zur Last gelegt, die statischen Berechnungen nicht kontrolliert zu haben und den Statiker bei vorgenommenen Änderungen am Gerüst nicht genügend instruiert zu haben.
Dem Sicherheitsbeauftragten warf das Gutachten vor, er habe das Gerüst abgenommen, ohne die Stabilität des Gerüsts zu überprüfen. Den Bauleitern wurde vorgeworfen, nicht reagiert zu haben, als von den Bauarbeitern die Instabilität des Gerüsts bemängelt worden war.
Als im Auftrag der Bauunternehmung laut Gutachter «entgegen aller Usanzen» zusätzlich eine fahrbare Kran-Vorrichtung auf dem Gerüst installiert wurde, sei es versäumt worden, die für die Stabilität erforderlichen Gegengewichte genau zu berechnen. Zudem sei nicht kontrolliert worden, wo und wie diese Gegengewichte auf der «nicht alltäglichen Gerüst-Konstruktion » platziert worden seien.
Dem Gutachter die Kompetenzen abgesprochen
Dieses Gutachten wurde aber von den Verteidigern arg zerzaust. Der Verfasser des Gutachtens habe absolut keine Erfahrung im Brückenbau. Er habe vorwiegend im Silobau gearbeitet. «Er masste sich Kompetenzen an, über die er gar nicht verfügt», sagte der Verteidiger des Chef-Bauleiters. So sei zum Beispiel das Gerüst von Fachleuten absolut nicht als «nicht alltägliche Konstruktion», sondern als «üblich in solchen Fällen» taxiert worden.
Arg kritisiert wurde am Gutachter, dass sich dieser nebst seinen technischen Ausführungen auch juristische Beurteilungen anmasste, obwohl er kein juristischer Fachexperte sei.
Die Verteidiger stellten zudem den Antrag, das Verfahren wegen Verjährung der vorgeworfenen Unterlassungsdelikte einzustellen. Sollte das Gericht keine Verfahrenseinstellung beschliessen, seien die Beschuldigten freizusprechen.
Die beiden Bauleiter hätten entgegen der Darstellung des Staatsanwalts nie davon Kenntnis erhalten, dass das Gerüst instabil gewesen sein soll, obwohl sie praktisch täglich auf der Baustelle anwesend waren. Zudem habe das Gutachten der Fachjuristen ergeben, dass eine solche Überprüfung gar nicht im Aufgaben- und Pflichtenbereich der Bauleiter gewesen wäre.
Das Urteil des kantonalen Strafgerichts wird in den nächsten Tagen schriftlich eröffnet.