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Wollerau
28.04.2020
06.05.2022 15:32 Uhr

«Marcel Ospel lebte nicht nur wegen der Steuern in Wollerau»

Marcel Ospel stand als Verwaltungsratspräsident der UBS während der Finanzkrise vor zwölf Jahren im Mittelpunkt von Wirtschaft und Politik. (Bild: Archiv)
Marcel Ospel stand als Verwaltungsratspräsident der UBS während der Finanzkrise vor zwölf Jahren im Mittelpunkt von Wirtschaft und Politik. (Bild: Archiv) Bild: Archiv
Mit Marcel Ospel ist einer der bekanntesten und umstrittensten Wirtschaftsführer gestorben. Seit 15 Jahren lebte er in Wollerau und polarisierte auch hier. In der Öffentlichkeit exponierte sich aber seine Ehefrau Adriana Ospel.

von Andreas Knobel

Es ist ein Schock für die Wirtschaftswelt – und eine Tragödie für die Familie: Am Wochenende ist Marcel Ospel mit 70 Jahren verstorben – offenbar nach langer Krankheit. Die Würdigungen seines Wirkens – auch die kritischen – werden auf den Wirtschaftsseiten abgehandelt. Und doch ist Marcel Ospel auch in unserer Region, vor allem in Wollerau, kein unbeschriebenes Blatt.

Gewichtiger, umstrittener Umzug

Es war damals, im Jahre 2005, eine zünftige Schlagzeile in den hiesigen Medien, als Marcel Ospel nach Wollerau zog. Allen war klar: Das ist einfach ein weiterer Steuerflüchtling, der die tiefe Steuerbelastung Wolleraus und des Kantons Schwyz ausnutzte. Dies stellte der UBS-Mediensprecher jedoch in Abrede – Ospel war zu jener Zeit 55-jährig und Verwaltungsratspräsident der Grossbank UBS mit einem jährlichen Einkommen von weit über 20 Mio. Fr. und bald darauf auch regelmässiger Gast in der «Bilanz»-Rangliste der «300 reichsten Schweizer».

Auch Markus Hauenstein als damaliger Gemeindepräsident Wolleraus relativierte. Das Dorf und die Region hätten wahrlich mehr zu bieten als nur tiefe Steuern, beteuerte er in den Medien. Er gab auch zu bedenken, dass bereits sehr viele begüterte Menschen in den Höfen wohnten, womit das Steuergefüge – im positiven Sinne – nicht aus den Fugen geraten würde. Zu diesen Aussagen steht Hauenstein auch heute noch. «Ich habe ihn regelmässig beim Spazieren gesehen», erinnert er sich. «Die Menschen hier in Wollerau schätzen eben die Privatsphäre, bei uns werden alle gleich behandelt.» Ansonsten habe es damals keinen Kontakt gegeben – ausser der Neujahrskarte, die Marcel Ospel der Gemeinde regelmässig zukommen liess.

Ospels Kinder in Wollerau integriert

In Basel demgegenüber, von wo die Ospels kamen, herrschte natürlich keine Freude. Die Wogen glätteten sich jedoch schnell wieder. Zumal Marcel Ospel seiner Heimatstadt in vielerlei Hinsicht treu blieb. So war er zum Beispiel weiterhin eine prägende Figur in der bekannten Basler Fasnacht. Die leise Hoffnung der Höfner, der Neuzuzüger werde auch an ihrer Fasnacht aktiv teilnehmen, wurde dann allerdings nicht erfüllt.

So stellte die Familie Ospel während der ersten Jahre für viele Einheimische ein typisches Beispiel von reichen, unbeteiligten Neubürgern in ihren Villen dar. Zumal sich Marcel Ospel nach seinem unrühmlichen Abgang bei der UBS in Folge der Finanzkrise weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückzog. Doch der Eindruck täuschte, denn Ospels jüngste Kinder mit Jahrgang 2009 waren und sind stets normal im Dorf integriert. Auch seine Frau Adriana Ospel engagierte sich in Gremien – allerdings von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt.

Plötzlich lokal im Rampenlicht

Dies änderte sich vor eineinhalb Jahren. Nachdem das Stimmvolk einen Verpflichtungskredit für das Dorf- und Bildungszentrum Wollerau knapp angenommen hatte, tauchte aus dem Nichts ein Komitee «für e gsunds + zukunftsgrichtets Wollerau» auf und reichte die Pluralinitiative «Stop beim Neubau Dorf und Bildungszentrum» ein. An der Spitze dieses Komitees exponierte sich Adriana Ospel. Wobei viele gleich deren Mann Marcel Ospel als Drahtzieher sahen, zumal die Gruppe keinen Hehl daraus machte, dass ihnen der tiefe Steuerfuss heilig und die Dorfinfrastruktur viel günstiger zu haben sei.

Die Pluralinitiative wurde zwar vor einem Jahr knapp abgelehnt, die Gruppe um Adriana Ospel versprach jedoch, weiterhin am Ball zu bleiben. Dies bleibt zu hoffen, denn bei allem Gegenwind, dem sie sich ausgesetzt sah, brachte sie frischen Wind in die Gemeindepolitik – ob mit Hilfe ihres Gatten oder nicht. Und trotz aller Kritik brachte man ihr doch Respekt für ihr resolutes persönliches Auftreten entgegen. Denn sie gab den vielen Neuzuzügern plötzlich ein Gesicht. 

Ob dieses Engagement von Adriana Ospel in Zukunft bestehen bleibt, wird sich weisen. Denn nach dem Ableben von Ehemann und Vater Marcel Ospel wird nichts mehr so sein wie bisher. Der Familie gilt ein ehrliches Beileid weiter Kreise.

Redaktion March24/Höfe24