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Sport
25.04.2020

«Erfolg lässt sich nicht erzwingen»

Die Schwyzer Skirennfahrerin Corinne Suter präsentiert stolz ihre beiden Kristallkugeln der letzten Saison.
Die Schwyzer Skirennfahrerin Corinne Suter präsentiert stolz ihre beiden Kristallkugeln der letzten Saison.
Corinne Suter ist momentan die beste Speedfahrerin der Welt. Die 25-jährige Schwyzerin blickt auf eine unglaublich erfolgreiche Saison zurück und verrät, was sie an Galaveranstaltungen schön findet.

Corinne Suter, es wäre nach Ihrer erfolgreichen Saison noch eine Feier hier in Schwyz geplant gewesen. Doch aufgrund der Corona-Krise musste diese abgesagt werden. Was löst das bei Ihnen aus?
Ja, es war vom Skiclub Schwyz aus ein Empfang in Schwyz geplant, wo ich gerne mal mit allen Fans und den Freunden gefeiert hätte. Auch im kleineren Rahmen mit der Familie und den Sponsoren wollten wir noch etwas machen, wo ich mich bei allen für deren Unterstützung hätte bedanken können. Leider mussten wir aber alle realisieren, dass die momentane Situation ernst zu nehmen ist und die Gesundheit der Menschen erste Priorität hat. Ich hoffe, dass wir die Feier noch nachholen können.

Wie sieht Ihr persönlicher Alltag während der Corona-Krise aus?
Ich geniesse zuerst einmal die Ruhe und finde es schön, Zeit zu Hause in Schwyz mit der Familie und auch mit dem Göttibueb zu verbringen. Denn im Winter bin ich ja fast die gesamte Zeit unterwegs, und solche Dinge kommen bei mir dann meistens zu kurz. Auch bei meinem Freund Angelo in Flüelen verbringe ich viel Zeit. Ich mag es auch, einmal ein Buch zu lesen, ohne, dass ich das Gefühl habe, dass ich etwas verpasse. Das tut mir sehr gut.

Offenbar sind Sie zwischendurch auch in der Kantonsbibliothek in Schwyz anzutreffen.
Ja das stimmt, ich gehe ab und zu in die Kantonsbibliothek. Momentan lese ich die Autobiografie der Skifahrerin Anna Veith-Fenninger. Auch diejenigen von Franz Heinzer und Pirmin Zurbriggen liegen schon zum Lesen bereit. Aus der Bibliothek leihe ich sonst gerne Bücher rund um die Sportpsychologie aus.

Lesen Sie auch Romane?
Ja, da ist die Millenium-Trilogie von Stieg Larsson mein absoluter Favorit. Ich glaube, ich habe noch nie zuvor so viele Stunden lesend auf dem Hometrainer verbracht wie zu der Zeit, als ich diese Bücher gelesen habe. Es hat mich derart gepackt, dass ich die Zeit komplett vergessen konnte.

Kommen wir zu Ihrem sehr erfolgreichen Winter. Wie haben Sie das abrupte Saison­ende erlebt?
Die Zeit war ein wenig ein Chaos und wir wussten nicht genau, wie es weitergeht. Ich glaube, wir alle wären sehr gerne noch das Saisonfinale in Cortina gefahren und hätten einen richtigen Saisonabschluss gehabt. Das hat sicherlich gefehlt. Zudem brannte ich auf die Rennen, da ich in La Thuile ja noch den Fehler mit dem Stock gehabt hatte und ich es im nächsten Rennen unbedingt besser machen wollte. Bis heute habe ich mir diese Fahrt am TV nicht angesehen, weil mich der Fehler so genervt hat.

Und doch hat es für Sie am Ende gereicht. Mit der Absage des Saisonfinales in Cortina war ja klar, dass Sie nach der Abfahrts- auch noch die Super-G-Wertung für sich entscheiden konnten. Was war Ihre erste Reaktion?
Lustigerweise habe ich dies als Erstes durch meine Leute erfahren, die mir per SMS oder WhatsApp plötzlich zur Super-G-Kugel gratuliert haben. Ich wurde fast ein bisschen hässig, da ich noch gedacht habe, es steht ja noch ein Rennen aus. Aber dann realisierte ich es, und meine Gedanken waren natürlich bei der gewonnen Kugel.

Sie konnten sich also auch trotz der Absage des Saisonfinales richtig freuen?
Ja, denn ich sehe es so, dass am Ende alle die gleichen Chancen hatten und gleich viele Rennen bestreiten durften. Oft vergisst man, dass auch während der Saison manchmal Rennen abgesagt werden müssen und ersatzlos gestrichen werden. Danach fragt im Nachhinein niemand mehr. Nun hatte es das Saisonfinale getroffen, auch wenn die Umstände natürlich besonders waren. Aber dass ich neben der Abfahrtskugel auch die Super-G-Kugel gewinnen konnte, freut mich extrem.

Wenn Ihnen vor zwei Jahren jemand gesagt hätte, dass Sie im Winter 2019/2020 die Gesamtwertung sowohl in der Abfahrt als auch im Super-G gewinnen würden, was hätten Sie der Person gesagt?
Ich denke, ich hätte es nicht geglaubt. Bei mir ist es einfach so, dass seit der WM in Åre und den zwei WM-Medaillen irgendwie der ganze Druck weg ist. Ich glaube, ich fahre seither befreiter und zeige auch im Rennen, was ich kann. Ich war schon vorher in den Trainings schnell, aber das interessiert am Ende niemanden. Es zählen nur die rund eineinhalb Minuten auf der Piste. Es ist ein sehr schönes Gefühl, dass nun so viel zurückkommt, was man selber in den Sport investiert hat.

Waren also aus Ihrer Sicht die zwei WM-­Medaillen die Initialzündung für die unglaublich erfolgreiche Zeit seither?
Ja, das war sicher ein Schlüsselmoment. Weiter war für mich aber auch sehr wichtig, dass ich im Materialbereich grosse Fortschritte erzielt habe. Ich habe mich in diesem Bereich zu lange auf andere Fahrerinnen fokussiert und probiert, deren Abstimmung zu kopieren. Das klappte aber logischerweise nicht. Denn jede Fahrerin hat ihre eigene Technik und ihre eigenen Stärken, das gilt es bei der Abstimmung zu berücksichtigen. Ich glaube, das ist mir mittlerweile gelungen.

Neben den zwei Kristallkugeln konnten Sie ja sowohl im Super-G als auch in der Abfahrt Ihre ersten Weltcup-Siege feiern.
Das waren sehr emotionale Momente. Insbesondere in Zauchensee, wo ich meinen ersten Sieg zusammen mit meiner Mutter, meiner Tante und meinem Freund Angelo feiern konnte, war die Freude unbeschreiblich gross. Ich wusste schon vorher, dass ich von der Schnelligkeit her so weit bin, Rennen zu gewinnen. Aber dann wirklich das erste Mal zuoberst zu stehen, war ein ganz ­besonderer Moment und machte mich extrem stolz.

Viele Fans und auch Journalisten beschreiben Ihre Persönlichkeit als viel reifer als noch vor beispielsweise zwei, drei Jahren. Sie wirken authentisch und gelassen.
Ich musste auf jeden Fall lernen, dass ich nicht einfach mit dem Kopf durch die Wand gehen kann und sich der Erfolg nicht erzwingen lässt. Mir fehlte es an der Lockerheit, und mittlerweile spüre ich bereits am Morgen früh schon beim Aufstehen, dass ich gut drauf bin. Das heisst nicht, dass ich vor den Rennen nicht mehr nervös bin, aber ich weiss nun, wie ich damit umgehen muss. Es hat viel mit Erfahrung zu tun, und bekanntermassen lernt man durch Niederlagen am meisten. Und das ist wirklich so – insofern man akzeptiert, dass man Fehler gemacht hat. Ich denke, in dieser Hinsicht bin ich reifer geworden.

Sie wurden neben Ihren grossen Erfolgen auf der Piste von der «Glückspost» auch noch zur schönsten Frau der Schweiz gekürt. Wie viel ist Ihnen dieser Titel wert?
Es ist sicherlich eine schöne Ehre für mich, und ich wurde schon häufig darauf angesprochen, obwohl das sicher nie ein grosses Ziel von mir war (lacht). Trotzdem spielt für mich das Erscheinungsbild und wie man sich gibt, einfach eine grosse Rolle. Ich bemale mir beispielsweise gerne die Nägel oder freue mich auf Gala-Anlässe, wo ich mir ein schönes Kleid anziehen kann. Ich geniesse es, eine Frau zu sein. Sonst habe ich als Spitzensportlerin ja vor allem Sportkleider und Trainingsanzüge an.

Wie geht es für Sie nun weiter?
Ich habe mir bis jetzt bewusst Zeit gegeben, mal komplett auf den Sport zu verzichten. Ich habe das gebraucht, um mich sowohl im körperlichen als auch mentalen Bereich so richtig von der Saison zu erholen. Ich verspüre jetzt auch noch keine Lust, schon wieder mit dem Krafttraining zu beginnen, ohne zu wissen, wann es wieder losgeht. Mit leichten Ausdauereinheiten und meinen alltäglichen Übungen habe ich jedoch bereits wieder begonnen. Ende Mai wäre in Mallorca mit dem Team das erste Konditionslager auf dem Terminplan gestanden. Aber das fällt höchstwahrscheinlich aus. Deshalb setze ich mich jetzt zuerst mit dem Konditionstrainer zusammen, und wir werden dann gemeinsam einen Trainingsplan erstellen.

Robert Betschart
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