Kein Privatleben mehr
«Diese Flexibilität wird während der Corona-Krise sehr gestreckt», sagt ein Flight-Attendant. Freiwünsche an den Wochenenden seien nicht mehr erlaubt, obwohl das in den letzten Jahren trotz sommerlicher Hochsaison nie ein Thema gewesen war. Gerade für Kollegen mit Familie sei das mühsam, erklärt er. «Die Helvetic verlangt von uns sehr viel, kommt uns aber überhaupt nicht entgegen», sagt die Kollegin «Mein Privatleben leidet enorm darunter. Ich kann mit meinen Freunden nichts planen, sitze ständig auf Abruf zu Hause rum. Das sind unerträgliche Umstände.»
Für die Frau hat dies auch finanzielle Auswirkungen. «Im letzten Herbst und Winter sind wir kaum geflogen. Ausschliesslich vom Kurzarbeitsgeld kann ich mich aber kaum über Wasser halten», sagt sie. Helvetic habe den Mitarbeitenden nahegelegt, einen Nebenjob zu suchen. «Das war aber gar nicht möglich. Wie soll ich eine Stelle finden, wenn ich für Helvetic immer auf Abruf bereit sein muss?», fragt sich die Flight-Attendant.
Helvetic zahlt vollen Lohn – trotz Kurzarbeit
Die Airline sagt auf die Anfrage von Blick.ch, dass der Flugbetrieb als Fluggesellschaft in der Hochsaison Priorität geniesse. «Dies erfordert natürlich eine gewisse Flexibilität unserer Crews, wie es auch bei anderen Airlines üblich ist.» Nach Möglichkeit werden aber die Wünsche der Mitarbeitenden berücksichtigt. Auch am Wochenende sei es möglich, freizunehmen.
Für die finanziellen Nöte einiger Mitarbeitenden zeigt Helvetic Verständnis. «Die mit der Kurzarbeit verbundenen Schwierigkeiten haben wir bereits vor einigen Monaten proaktiv identifiziert.» Seither gleicht die Ebner-Airline den Lohn teilweise um die fehlenden 20 Prozent aus der eigenen Tasche aus. «Das bedeutet, dass unser Kabinenpersonal derzeit sein volles Gehalt bezieht. Ausgenommen davon sind die ranghöchsten Flugbegleiter, die in einer höheren Lohnstufe sind.»
«Einschüchterungskultur» bei Helvetic?
Die Flight-Attendants kritisieren weiter die Kommunikation des Arbeitgebers. Zu Beginn seien sie noch auf dem Laufenden gehalten worden. «Mittlerweile hören wir aber nichts mehr von der Zentrale. Es machten Gerüchte die Runde, dass unser Kabinenkorps bereits unterbesetzt sei», sagt ein Flight-Attendant. Dieser «Einschüchterungskultur», wie er es bezeichnet, könnte man entgegenwirken. «Wenn die Geschäftsleistung öfter berichten würde, wie es der Airline aktuell geht.»
Die Helvetic sieht das anders. Man würde die Mitarbeitenden in regelmässigen Abständen «offen» und «ausführlich» informieren. Aufgrund der Pandemie erfolge die Kommunikation aber virtuell. Im Rahmen von Newslettern oder Mitarbeiterveranstaltungen mit anschliessender Fragerunde.
«Stolz auf den Zusammenhalt»
Warum die Flight-Attendants der Ebner-Airline noch die Treue halten, erklären sie mit der Liebe fürs Fliegen und dem «Helvetic Spirit». «Der Zusammenhalt in der Kabine ist sehr gross. Wir unternehmen auch Dinge privat», sagt sie . «Es herrscht eine familiäre Atmosphäre», pflichtet ihr der Kollege bei. «Auf unseren Zusammenhalt bin ich am meisten stolz.»
Er hat die Hoffnung nicht aufgegeben: «Ich wünsche mir für die Zukunft, dass die Mitarbeitenden nicht nur für den Erfolg genutzt und danach entsorgt werden, sondern richtig behandelt, belohnt und anerkannt werden für ihren unermüdlichen Einsatz.»