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12.02.2021
12.02.2021 16:59 Uhr

Andrea Dettling: «Wir müssen die langfristigen Ziele im Auge behalten»

Andrea Dettling ist U16-Trainerin in Zermatt. (Bild: Keystone)
Andrea Dettling ist U16-Trainerin in Zermatt. (Bild: Keystone) Bild: Keystone
Andrea Dettling kennt den Schweizer Skisport. Die Altendörfler U16-Trainerin eines regionalen Leistungszentrums erklärt, warum die Schweiz an der Spitze so gut besetzt ist und was die Herausforderungen mit dem Nachwuchs sind.

Die Schweizer Skifahrerinnen sind gestern hervorragend in die Weltmeisterschaften gestartet. Im Super-G der Frauen holten Lara Gut-Behrami und Corinne Suter einen Doppelsieg. Es war dies erst der zweite Weltmeistertitel im Super-G für die Schweiz und auch der zweite Doppelsieg nach den goldenen Tagen von Crans-Montana, als Maria Walliser vor Michela Figini gewinnen konnte.

Ebenfalls mit den Frauen mitgefiebert hat die Altendörflerin Andrea Dettling. «Was für ein Auftakt», jubelt sie ins Telefon, als diese Zeitung sie nach dem Super-G-Rennen erreicht. Man hört ihr an, dass die Ex-Skirennfahrerin noch immer leidenschaftlich mit ihren früheren Teamkolleginnen mitfiebert, sich riesig über die Schwyzer Medaille von Corinne Suter freut. «Diese beiden Erfolge kamen genau zum richtigen Zeitpunkt», sagt sie. Was Dettling damit meint, ist, dass der Druck auf die restlichen Athleten nun weg ist. «Fahrer, Trainer, Betreuer und Servicemänner können nun um einiges lockerer an die nächsten Rennen herangehen», sagt Dettling.

«Alle können nun um einiges lockerer an die nächsten Rennen herangehen.»
Andrea Dettling

In diesen sind die Medaillenchancen für die Schweizer nach wie vor gross. Es ist erstaunlich, dass die Schweiz mittlerweile eine so gute Breite im Kader hat, dass sie in jeder Disziplin einen Podestfahrer hat. Denn es sind erst acht Jahre her, seit die Skination Schweiz ihren absoluten Tiefpunkt erreichte. In der Saison 2012/13 stand die Schweiz in der Nationenwertung auf Platz sieben und war so schlecht klassiert wie noch nie. Viel passierte nach dieser historischen Schlappe. Die Strukturen bei Swiss-Ski wurden reformiert und Posten neu besetzt. Andrea Dettling war damals noch selbst aktiv. «Es ist normal, dass es mal bessere und mal schlechtere Jahrgänge gibt», sagt sie. «Es ging danach aber in die richtige Richtung. Auch an der Basis, also in den Skiclubs und in den regionalen Leistungszentren, wurde gut gearbeitet.»

Andrea Dettling im «Skichäller» von SRF

Vom 8. bis 20. Februar begrüsst Jann Billeter ehemalige und aktuelle Grössen aus dem Skirennsport – jeweils um 19 Uhr auf SRF zwei im «Skichäller». In der 30-minütigen Livesendung spricht der Moderator mit einem täglich wechselnden Gast über die Höhepunkte des Renntages, die Faszination Skisport und Geschichten abseits der sportlichen Tagesaktualität. Heute Abend wird Andrea Dettling im «Skichäller» zu Gast sein.

Immer mehr Trainerinnen

Das weiss Dettling aus eigener Erfahrung. Bis Ende letzter Saison war sie Cheftrainer des regionalen Leistungszentrums Mattertal in Zermatt. Weil sie aber mittlerweile nebenbei studiert, hat ihre Kollegin Rebecca Graven die Leitung übernommen und Dettling ist noch für die U16 zuständig. Das RLZ Mattertal ist das einzige in der ganzen Schweiz, das von zwei Frauen geleitet wird. Das Trainerbusiness im Skisport ist nach wie vor männerdominiert. «Ich kenne das ja nicht anders», so Dettling. Die Situation habe sich aber deutlich gebessert, besonders auf den unteren Stufen gibt es immer mehr Frauen als Trainerinnen.

Die Herausforderung in den Trainings seien für sie und ihre Kollegin Graven nicht anders als anderswo. «Wir versuchen in den unteren Stufen, an den körperlichen und skitechnischen Grundlagen zu arbeiten.» Dafür brauche es einerseits auch Mut, weil im präventiven Rahmen gearbeitet wird und der Körper an die höhere Belastung herangeführt werden soll. «Die Athleten sollen bereit sein für eine gesunde Karriere.» Wichtig ist auch, dass die Athletinnen und Athleten in diesem Prozess geduldig bleiben, sprich nicht zu viel auf einmal machen.

«Wir trainieren auch Langlaufen, Snowboarden oder Powdern. So wollen wir erreichen, dass die Leidenschaft für den Schneesport erhalten bleibt.»

Langfristig denken

Auf der anderen Seite ist für Dettling auch wichtig, dass sich die Sportler nicht schon zu früh spezialisieren, sondern in der Breite gut aufgestellt sind. Sie sollen auf verschiedene Weisen gefordert werden. «Wir trainieren zum Beispiel auch Langlauf, Snowboarden oder Powdern. So wollen wir erreichen, dass die Leidenschaft für den Schneesport erhalten bleibt.»

In der heutigen Zeit sollen die Sportler aber möglichst schnell möglich gut sein. Das sieht Dettling auch als eine Herausforderung. «Wir müssen die Perspektive behalten und auch den Kindern und Eltern weitergeben», erklärt sie. Denn die Tendenz zeige klar in Richtung Überprofessionalisierung bereits im U16-Bereich. «Oftmals sehen die Eltern und die Kinder nicht über den Rand hinaus. Wichtig sind in diesem Alter die langfristigen Ziele.» Es sei so auch schon vorgekommen, dass die U16-Trainerin mit den Athleten und den Eltern an den Tisch sitzen und dies klarstellen musste.

Dettling richtet eine Slalomstange für ihre Athleten her. (Bild: zvg) Bild: zvg

Zum Erwachsenwerden begleiten

Trotz all der Herausforderungen gefällt Dettling ihr Job nach wie vor gut. Sie hat auch nicht im Sinn, dereinst auf einer höheren Stufe Trainerin zu sein. «Im Moment geht das wegen des Studiums sowieso nicht.» Und ausserdem findet die Altendörflerin gerade die Stufe U16 enorm spannend. «Die Athleten kommen als Kinder zu dir und sprechen zwei Jahre später mit dir im Bus über Abstimmungsergebnisse.» Gerade dieses Beispiel begeistert sie. Sie kann Jugendliche auf dem Weg zum Erwachsenwerden begleiten und unterstützen. Egal, ob es ein oder zwei jemals bis ganz nach oben schaffen: «Das Wichtigste für mich ist, dass sie lernen konnten, mit Rückschlägen umzugehen und für etwas zu kämpfen, das ihnen etwas Wert ist. Das trägt zur Charakterbildung bei und hilft auch später im Leben.»

Dettling tippt auf die Schweizer

Wie viele Schweizer Medaillen wird es an der WM noch geben?
12. Ich bin da sehr optimistisch (lacht).

Welcher Schweizer Athlet oder welche Athletin wird die meisten Medaillen holen?
Michelle Gisin. Sie wird mindestens zwei Medaillen gewinnen.

Welcher Schwyzer Athlet oder welche Athletin wird herausstechen?
Corinne Suter. Sie wird hoffentlich auch in der Abfahrt noch eine Medaille holen.

Lars Morger, Sportredaktion March24 & Höfe24