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Pfäffikon
14.12.2020
14.12.2020 09:36 Uhr

Medizinische Komplikationen vorhersagen – mit Hilfe von Licht

Mit Hilfe von Lichtwellen wird ein «Bild» einer Blutprobe gemacht. (Bilder: Anouk Arbenz)
Mit Hilfe von Lichtwellen wird ein «Bild» einer Blutprobe gemacht. (Bilder: Anouk Arbenz) Bild: Anouk Arbenz
Das Höfner Start-up Spiden hat eine Messmethode entwickelt, mit der Blut in Echtzeit analysiert werden kann. Herzinfarkte, Schlaganfälle, Infektionen und andere medizinische Komplikationen könnten damit früher erkannt und besser behandelt werden.

Jeweils vier bis fünf Stunden an drei Tagen in der Woche verbringt ein Dialyse-Patient in der Dialyse-Klinik. Er muss sein Blut reinigen, weil seine Nieren, welche zentral sind für die Ausscheidung von toxischen Substanzen, nicht mehr funktionsfähig sind. Dank der Dialyse kann der Patient weiter­leben, doch besteht immer die Gefahr einer Komplikation – das kann zum Beispiel eine Infektion, ein Blutdruckabfall, ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall sein. Einmal im Monat wird deshalb ein umfassendes Blutbild gemacht, um die Werte des Patienten zu überprüfen – für einige Patienten zusätzlich sogar kleinere Überprüfungen vor oder während der Behandlung. Das Problem: Einige Werte können sich innerhalb von Minuten oder Stunden verändern. Ausserdem kann man mittels dieser punktuellen Messweise meist nicht erkennen, ob sich eine Komplikation anbahnt. Dafür müsste das Blut kontinuierlich und in Echtzeit analysiert werden können.

Mit Licht sofort ein Blutbild

Genau daran arbeitet das Pfäffiker Start-up Spiden, das Leo Grünstein – mehrfacher Unternehmensgründer, der vor drei Jahren unter anderem MoneyPark mitgegründet und erfolgreich an Helvetia verkauft hatte. «Unser Ziel ist es, medizinische Komplikationen früher zu erkennen, als es heute möglich ist», sagt der Betriebswirt aus Feusisberg, der als Jugend­licher aus Deutschland in die Schweiz kam.

Leo Grünstein ist Gründer und CEO der Firma Spiden. Bild: Anouk Arbenz

Spiden vereint dazu verschiedene Wissenschaftsbereiche und Technologien: die Spektroskopie, die Biomedizin, die Miniaturisierungstechnologie, Data Science und Maschinelles Lernen. Das Team aus über 20 Akademikern aus aller Welt hat eine Methode entwickelt, wie das Blut in Echtzeit mittels Licht analysiert werden kann. «Jedes Molekül reagiert anders, wenn es mit Licht beleuchtet wird», erklärt Grünstein. Das werde in einem Gesamtbild erkennbar.

Gleichzeitig wird dasselbe Blut mit der traditionellen Methode im Labor untersucht. Indem die Wissenschaftler die Ergebnisse aus dem Labor mit dem Bild aus ihrem selbst erbauten Spektrometer vergleichen, erhalten sie Informationen darüber, wie sich Proteine, Elektrolyte, Säuren etc. – sogenannte «Biomarker» – verhalten, wenn sich eine Infektion, ein Herzinfarkt, ein Hirnschlag, Nierenversagen oder andere medizinische Komplikationen anbahnen. «So können wir unserem Algorithmus beibringen, wie ein Gesamtbild für eine Komplikation aussieht.» Wenn das Unternehmen genug Daten gesammelt haben wird, könne das Modell dann auf jeden beliebigen Menschen angewendet werden.

«So können wir unserem Algorithmus beibringen, wie ein Gesamtbild für eine Komplikation aussieht.»
Leo Grünstein, Co-Gründer und CEO Spiden

Ende des nächsten Jahres will Spiden mit der Lichtmethode mehr als ein Dutzend Biomarker so zuverlässig wie im Labor analysieren und Komplikationen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit voraussagen können. Um noch schneller zu werden und mehr Daten zu erhalten, überlegt sich Grünstein, Partner dazu zu holen.

Das eigene Blut unter Kontrolle

In einem nächsten Schritt möchte Spiden seine Technologie in die Spitäler und Laboratorien bringen, wo sie beispielsweise in eine Dialyse-Maschine integriert werden könnte. Eine Win-win-Situation: Das Start-up könnte mehr Daten sammeln und gleichzeitig helfen, Komplikationen früher zu erkennen und dadurch effizienter zu behandeln.

«Wenn ich kranken Menschen helfen konnte, möchte ich auch das Leben gesunder Menschen verlängern.»

Grünsteins Vision für die Zukunft beinhaltet aber noch viel mehr: «Wenn ich kranken Menschen helfen konnte, möchte ich auch das Leben gesunder Menschen verlängern.» Das mag sich nach Science Fiction anhören, ist im kleineren Rahmen aber bereits Reali­tät: Tragbare Computersysteme wie die Apple Watch zählen unsere Schritte, sagen uns, wie viel Sauerstoff wir im Blut haben und geben uns damit Verbesserungsvorschläge für unser Leben. Und Tesla-Gründer Elon Musk, respektive sein Team, forscht derzeit an einem Implantat, welches das Gehirn mit einem Computer verbindet. Ziel ist es, Gehirnerkrankungen besser zu verstehen. «Mensch und Technologie werden immer mehr Eins», beobachtet Leo Grünstein. Spiden, das mittlerweile auch frühe Investoren von Tesla, Facebook und Airbnb für sich gewinnen konnte, könnte mit einem Implantat Menschen helfen, die für sie persönlich richtigen Entscheidungen zu treffen betreffend Ernährung, Medikamenten und anderem, das die Gesundheit beeinträchtigen kann.

Anouk Arbenz, Redaktion March24 & Höfe24