Home Region Sport Agenda Schweiz/Ausland Magazin

„39 Prozent Strafzoll – ein Schock für die Schweizer Exportwirtschaft“

Bild: KI generiert / Handelszeitung
Am 1. August kündigte Donald Trump 39 % Strafzoll auf Schweizer Waren an. Markus Diem Meier, Chefredaktor der Handelszeitung, erklärt die Folgen für Unternehmen und Wirtschaft.

Markus Diem Meier, am Morgen des Schweizer Nationalfeiertags kam die Nachricht: Die USA führen 39 Prozent Strafzoll auf Schweizer Waren ein. Was ging Ihnen als Erstes durch den Kopf?

Markus Diem Meier: Ich muss ehrlich sagen: Das war ein extremer Schock. Wir hatten im Vorfeld schon geahnt, dass etwas kommt – es war angekündigt, und ich habe die internationalen Nachrichten genau verfolgt. Aber wir rechneten mit einer Erhöhung im Rahmen von 15 Prozent, wie wir sie aus dem EU-Vergleich kennen. 39 Prozent – das übertraf jede Erwartung.

Können Sie erklären, was das in der Praxis bedeutet?

Diem Meier: Nehmen wir die Uhrenbranche als Beispiel. Eine Marke wie Breitling verkauft ihre Produkte auch in den USA. Wenn auf den Verkaufspreis plötzlich 39 Prozent Zoll aufgeschlagen werden, verteuert sich die Uhr entsprechend. Entweder geben die Unternehmen diesen Preisaufschlag vollständig an die Kunden weiter – was die Nachfrage einbrechen lassen könnte – oder sie schlucken einen Teil der Mehrkosten, was die Marge deutlich reduziert.

Gibt es Unternehmen, die das leichter verkraften können?

Diem Meier: Ja, Firmen mit sehr starker Marke und hoher Preismacht – zum Beispiel im Luxussegment – könnten das eher stemmen. Dort ist der Preis Teil der Markenwahrnehmung, und Kunden sind bereit, mehr zu bezahlen. Aber viele kleinere und mittlere Unternehmen haben diese Preismacht nicht. Sie produzieren in der Schweiz, sind auf den US-Markt angewiesen und können ihre Produktion nicht einfach ins Ausland verlagern. Für sie kann das existenzgefährdend sein.

Welche Branchen sind insgesamt am meisten gefährdet?

Diem Meier: Neben der Uhrenindustrie betrifft es alle exportorientierten Branchen, die stark auf die USA ausgerichtet sind. Das können Präzisionsinstrumente, Maschinenbauer oder auch Nahrungsmittelproduzenten sein. Besonders heikel ist es für KMU, die nicht die finanziellen Reserven haben, um monatelang mit schrumpfenden Margen zu arbeiten.

Die Pharmaindustrie ist die wichtigste Exportbranche der Schweiz. Bleibt sie verschont?

Diem Meier: Vorerst ja. Aber ich wäre vorsichtig. Präsident Trump hat Novartis und Roche bereits schriftlich aufgefordert, ihre Preise in den USA zu senken. Sonst könnten auch sie von Strafzöllen oder anderen Handelshindernissen betroffen sein. Pharma ist momentan noch ausgenommen – aber die Drohung steht im Raum.

Trump begründet die Strafzölle mit dem Handelsüberschuss der Schweiz gegenüber den USA. Ist das aus ökonomischer Sicht stichhaltig?

Diem Meier: Nein. Es stimmt zwar, dass die Schweiz bei Waren einen Überschuss von rund 40 Milliarden Dollar hat. Aber die USA haben ihrerseits einen Überschuss bei Dienstleistungen – vor allem in der IT. Handel ist kein Nullsummenspiel, bei dem ein Überschuss automatisch unfair ist. Wenn wir amerikanische IT-Dienstleistungen einkaufen, tun wir das, weil wir sie wollen und brauchen – nicht weil wir „übervorteilt“ werden. Diese ökonomische Logik ignoriert Trump komplett.

Gibt es jetzt noch die Chance, die 39 Prozent abzuwenden?

Diem Meier: Theoretisch ja. Trump hat in der Vergangenheit oft Maximalforderungen gestellt und ist am Ende zurückgerudert. Aber: Selbst wenn er nachgibt, bleibt das Endergebnis meist deutlich höher als der Status quo davor. Und im Fall der Schweiz sehe ich leider wenig Motivation für ihn, Zugeständnisse zu machen.

Was passiert, wenn die Zölle tatsächlich in drei Tagen greifen?

Diem Meier: Dann ist das eine Katastrophe für die Exportwirtschaft. Und das hat direkte Folgen für die ganze Volkswirtschaft: weniger Investitionen, potenziell Stellenabbau, schwächerer Konsum. Besonders gefährlich ist die Unsicherheit: Selbst wenn es in einem Monat wieder Änderungen gäbe, könnten Unternehmen heute nicht solide planen. Diese Unberechenbarkeit verhindert eine nachhaltige investitionsplanung und ist Gift für internationale Wirtschaftsbeziehungen.

Welche Rolle spielt die zeitliche Dynamik solcher Entscheidungen?

Diem Meier: Eine sehr grosse. Die Fristen ändern sich oft kurzfristig. Unternehmen investieren viel Energie in Verhandlungen und Vorbereitungen – nur um dann überrascht zu werden, wenn Trump von heute auf morgen eine neue Forderung stellt. Das erschwert strategische Entscheidungen massiv.

Mit Markus Diem Meier, Chefredaktor der Handelszeitung, sprach Marc Jäggi. Das Interview erschien als Erstes auf Radio 1 und wird hier mit Erlaubnis von Markus Diem Meier schriftlich wiedergegeben. 

Hier geht es zum Kommentar von Markus Diem Meier in der Handelszeitung. 

mj