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Reichenburg
28.10.2020
28.10.2020 10:31 Uhr

Wie weiter? Musterbetrieb oder das Aus für Gemüsebau Kistler

Bild: fan
Am Freitag findet die Genossengemeinde der Allgemeinen Genossame Reichenburg im Mehrzweckgebäude Reichenburg statt. Für den Gemüsebaubetrieb von Peter Kistler geht es dabei um die Existenz.

Peter Kistler senior hats filmisch festgehalten: Im Neuland im Reichenburg hat er seinerzeit im Schweisse seines Angesichts den Boden urbar gemacht und ab 1955 einen Gemüsebau-Betrieb aufgebaut. Sein Sohn Peter Kistler-Hinder hat diesen Betrieb weiterentwickelt und steht nun an einer weiteren Schwelle: Seine Abnehmer – die Grossverteiler Migros und Coop sowie Aldi und Lidl – verlangen von ihm eine ökologische Produktion. Das heisst Verzicht auf den Einsatz von fossiler Energie, und gefordert ist CO2-neutrale und Bio-Produktion. Diesen Schritt will der 54-Jährige auch vollziehen, nicht zuletzt auch deswegen, weil er in der Verwandtschaft seiner Frau auch einen Nachfolger für den weitherum bekannten Betrieb gefunden hat.

Investition von 25 Mio. Franken

«Es ist unser Ziel, im Jahr 2023 die Bedingungen zu erfüllen und damit zu einem Vorzeigebetrieb im Gemüsebau zu werden», sagt Kistler. Gewächshäuser mit optimiertem Energie- und Wassereinsatz, die Energie selbstverständlich erneuerbar – die entsprechenden Pläne sind am Entstehen. Kistler rechnet mit Investitionen von rund 25 Mio. Franken und einer Verdoppelung der Arbeitsplätze von derzeit 40 bis 45 auf künftig 90 bis 100.

Das Herzstück des Geländes gehört Peter Kistler. Hier befinden sich Bearbeitungsflächen, Ladenlokal, Wohnflächen usw. Rundherum bewirtschaftet er zwei Grundstücke, das eine zu knapp 70'000, das andere zu rund 60'000 Quadratmeter. Dieses Land gehört der Allgemeinen Genossame Reichenburg (AGR), und Peter Kistler hat es wie schon sein Vater gepachtet, die Pachtverträge hatten in der Vergangenheit jeweils eine Laufzeit von zehn Jahren.

Der letzte Pachtvertrag wurde von der AGR Ende 2014 gekündigt. Der Genossenrat macht geltend, «dass die Pachterneuerung im Jahre 2015 unter anderem auch an ungenügender Sicherstellung und aufgrund von unbewilligten Bauten gescheitert war». Kistler selbst erwähnt Differenzen bezüglich der Installation einer Photo-voltaikanlage auf einem Hallendach.

Vertragsloser Zustand

Seither streiten die beiden Parteien, waren bereits vor Bezirks- und Kantonsgericht, wobei Peter Kistler beide Male unterlag, so dass die Kündigung auf den 31. Dezember 2015 in Rechtskraft getreten ist (Kantonsgerichtsurteil vom 20. August 2019). Die AGR müsste nun eigentlich Peter Kistler angemessen entschädigen und den Pachtgegenstand in dem Zustand übernehmen, in dem er sich befindet.

Diesen quasi vertragslosen Zustand möchten beide Parteien wieder in ordentliches Recht überführen. Kistlers Problem ist nun allerdings, dass er mit einem Pachtvertrag über zehn Jahre keinen Kreditgeber über 25 Mio. Franken findet. Deshalb stellt er zu Handen der Genossengemeinde vom nächsten Freitag den Antrag auf ein 50 Jahre dauerndes Baurecht. «Dies würde sich auch für die AGR lohnen», rechnet Gemüsebauer Kistler vor, denn das Baurecht würde der Landeigentümerin mehr Ertrag bringen als die Pacht.

Baurecht oder Pacht?

Der Genossenrat empfiehlt Peter Kistlers Antrag zur Ablehnung und schlägt stattdessen vor, ihm wiederum einen Pachtvertrag über zehn Jahre zu offerieren, «wie jeder andere Landwirt», heisst es in der Einladung zur Genossengemeinde. Aber für Kistler ist klar: Mit einem Pachtvertrag nur über zehn Jahre kann er die Investitionen nicht finanzieren und die Forderungen seiner Abnehmer nicht erfüllen. «Für unseren Betrieb geht es am Freitag um die Existenz», sagt Kistler. Auch der Genossenrat redet in seinen Erläuterungen zur Genossengemeinde Klartext: «Im Ausweisungsverfahren wird darüber entschieden, per wann der Pächter das Pachtland zu verlassen und in welchem Zustand er es dem Verpächter zurückzugeben hat.» Dies würde wohl weitere Gerichtsverfahren nach sich ziehen und letztlich das Ende für den Gemüsebaubetrieb in Reichenburg bedeuten, denn Kistler kann ohne das Land der AGR nicht mehr produzieren, und ein neuer Pächter stünde ohne die Infrastruktur und das Herzstück da, das sich ja im Besitz von Peter Kistler befindet.

Wie auch immer der Entscheid ausfällt, Peter Kistler hofft, dass sich trotz Covid-19 möglichst viele der rund 300 Mitglieder der Allgemeinen Genossame Reichenburg zur Genossengemeinde einfinden werden.

* Die Genossengemeinde der AGR ist derzeit wegen der Corona-Situation auf unbestimmte Zeit verschoben. 

Stefan Grüter, Redaktion March24 & Höfe24