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15.06.2025

«Wetzikon würde im Verkehr ertrinken»

Für den Autobahnanschluss müssten Zu- und Ausfahrten im Gebiet Cherschiben gebaut werden.
Für den Autobahnanschluss müssten Zu- und Ausfahrten im Gebiet Cherschiben gebaut werden. Bild: VD AFV / Inge Oberland, Stand 2019
Derzeit stehen bezüglich Lückenschliessung der Oberlandautobahn vor allem zwei Hauptvarianten zur Diskussion, darunter eine mit Autobahnanschluss in Wetzikon. Die Mehrheit des Wetziker Parlaments will davon nichts wissen und hat ein Postulat eingereicht.

Die «Tunnel tief lang»-Variante sieht einen durchgehenden Tunnel von Uster nach Hinwil vor, die Variante «Tunnel tief» einen Autobahnanschluss in Wetzikon mit Zu- und Wegfahrten im Gebiet Cherschiben zwischen der ARA Wetzikon und dem SBB Tunnelportal Aathal.

Raphael Zarth, Grüne, hat gemeinsam mit 21 weiteren Parlamentariern von SP, AW, Grünen, EVP, GLP, FDP und SVP im März 2025 das Postulat «Kein Autobahnanschluss in Wetzikon» eingereicht. Es fordert den Stadtrat auf, sich konsequent gegen den geplanten Autobahnanschluss in Wetzikon zu stellen und das auch gegenüber dem Astra klar zu vertreten.

Was stört euch an der Variante mit Autobahnanschluss in Wetzikon am meisten?

Raphael Zarth: Sie würde uns den Verkehr nicht vom Hals schaffen, sondern direkt ins Stadtzentrum kippen. Laut  Astra würden über 30'000 Fahrzeuge täglich über diesen Anschluss fahren – zusätzlich zum heutigen Chaos. Das ist keine Entlastung, das ist die Einladung zum nächsten Verkehrsinfarkt. Die Variante «Tunnel tief lang» ohne Autobahnanschluss Wetzikon würde hingegen zu einer deutlichen Verkehrsentlastung in Wetzikon führen.

Das  Astra geht davon aus, dass durch den Anschluss eine «Magnetwirkung» entstehen würde. Warum?

Der Anschluss würde zu einem offenen Schleusentor. Der Verkehr würde ungebremst in unsere Stadt hineinfliessen – nicht nur von Wetzikon selbst, sondern vor allem von den umliegenden Gemeinden. Dies hätte massive negative Auswirkungen auf die Stadt, die heute schon grosse Verkehrsprobleme hat.

Man stelle sich vor: über 30'000 Fahrzeuge täglich – und das nicht über den Tag verteilt, sondern hauptsächlich zu den Stosszeiten. Da sind massive Staus vorprogrammiert und der Verkehr würde sich Schleichwege über Wohn- und Schulquartiere suchen. Wetzikon würde im Verkehr ertrinken, statt durch die Autobahn entlastet zu werden.

Schon heute ist Wetzikon in den Spitzenzeiten regelmässig verstopft. Die heutige Verkehrsüberlastung ist gemäss einer offiziellen Umfrage von 2024 eines der grössten Probleme aus Sicht der Bevölkerung. Mit einem Anschluss würden neben den Wohn- und Schulquartieren auch zentrale Achsen wie die Tösstalstrasse, Obere Bahnhofstrasse, Spitalstrasse und Weststrasse zusätzlich belastet.

Mit einem Autobahnanschluss wären die Wetziker selbst schneller auf der Autobahn. Wäre das nicht ein Gewinn?

Ob das wirklich so wäre, ist nicht sicher. Was bringt’s, wenn ich zu Randzeiten ein paar Minuten schneller auf der Autobahn bin, dafür zu Stosszeiten aber 20 Minuten länger im Stadtstau stehe?

Die Anschlüsse in Uster und Betzholz liegen ums Eck, und mit der Variante «Tunnel tief lang» ohne Anschluss Wetzikon würde die Strasse durchs Aatal und die Rapperswilerstrasse nach Hinwil deutlich entlastet,  sodass man auch von Wetzikon aus rasch auf der Autobahn wäre.

Schneidet man das Wetziker Gewerbe mit der «Tunnel tief lang»-Variante nicht ab?

Nein – man schützt es vor einem wirtschaftsfeindlichen Dauerstau. Das lokale Gewerbe braucht kein Monsterprojekt vor der Haustür, das täglich 30'000 Autos direkt vor den Ladentüren entlangschleust. Wie viel vom Durchgangsverkehr bringt Mehrwert für die Wetziker KMU? Wohl sehr wenig.

Verkehrsdatenerhebungen der Stadt zeigen klar: Ein erheblicher Anteil des Verkehrs hat nicht Wetzikon als Ziel, sondern nutzt die Stadt schlicht als Transitachse. Auswärtige müssten mit der Variante ohne Autobahnanschluss in Wetzikon weiterhin die Hauptstrassen benützen, um nach Wetzikon zu kommen. 

Bleibt damit die Belastung auf den Wetziker Hauptstrassen, z. B. im Aatal, nicht hoch?

Ja, gewisse Belastungen bleiben – aber mit einem Autobahnanschluss würden sie nicht weniger, sondern schlimmer, insbesondere zu den Hauptverkehrszeiten. Die Erreichbarkeit von Wetzikon auf den bestehenden Hauptstrassen, wie der Aathalstrasse, der Tösstalstrasse oder der Rapperswilerstrasse, würde mit der Variante «Tunnel tief lang» ohne Autobahnanschluss besser, weil diese Zufahrtsstrassen deutlich entlastet würden.

«Der Autobahnanschluss würde uns den Verkehr nicht vom Hals schaffen, sondern direkt ins Stadtzentrum kippen.»
Raphael Zarth, Die Grünen Wetzikon

Wetzikon ist eine der grössten Städte im Zürcher Oberland und verursacht selbst viel Verkehr, der andere Gemeinden belastet. Macht man es sich mit einem Nein zum Anschluss in Wetzikon nicht zu einfach?

Es stimmt, dass Wetzikon viel Verkehr verursacht – vor allem in der Stadt selbst, aber auch in umliegenden Gemeinden. Deshalb ist es wichtig, neben einem Nein zum Autobahnanschluss auch griffige Massnahmen zur Mobilitätslenkung und Verkehrsreduktion in Wetzikon selbst umzusetzen. Genau daran arbeitet die Stadt aktuell im Rahmen der Ortsplanungsrevision. Mobilitätswende ist hierzu das Stichwort – die Stadt muss Anreize so setzen, dass sich die Wetzikerinnen und Wetziker innerhalb der Stadt lieber mit dem Bus, dem Velo oder gar zu Fuss fortbewegen und das Auto bewusst stehen lassen.

Im Postulat ist von einem Verlust von wertvollen Ackerböden die Rede.

Gemäss der aktuellen Planung würde der Autobahnanschluss eine Fläche von weit über 20'000 m2 Landwirtschaftsland beanspruchen. Es handelt sich um Kulturland hoher Qualität.

Der Stadtrat hat sich Ende März 2025 nachdrücklich für die neue Grundvariante «Tunnel tief lang» ausgesprochen. Wie geht es nun weiter?

Das  Astra wird voraussichtlich 2026 über die Linienführung entscheiden. Der Wille der Stadt Wetzikon ist dabei von hoher Bedeutung. Es gilt also, deutlich Position zu beziehen – und diese auf allen Ebenen mit Nachdruck zu vertreten. Der Stadtrat teilt erfreulicherweise diese Haltung. Jetzt braucht es konsequentes Lobbying, damit Wetzikon nicht mit einem Anschluss überrollt wird. Stillhalten ist jetzt keine Option.

Bist du per se gegen die Lückenschliessung?

Beim Postulat geht es bewusst nicht um ein Pro oder Contra Oberlandautobahn. Es geht uns ausschliesslich um den geplanten Anschluss in Wetzikon. Und dieser ist aus städtebaulicher, verkehrstechnischer und ökologischer Sicht für Wetzikon schlicht nicht tragbar.

Mehr zum Thema Oberlandautobahn findest du im Online-Dossier auf Zürioberland24.

Barbara Tudor / Redaktion March24 & Höfe24