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16.04.2025

Griechisch im Bildungssystem erhalten

(Symbolbild)
(Symbolbild) Bild: rtl.de
Fast 5000 Stimmen gegen die Abschaffung einer Kulturtradition. Griechisch, ein Fach, dass den Intellekt fordert Problemlösekompetenzen fördert und kritisches Denken schult.

Jedes Jahr entscheiden sich im Kanton Zürich 30–40 Schüler:innen für das Fach Griechisch (SPF und GF).1 Sie schätzen die individuelle Wahlmöglichkeit, ein Fach zu belegen, das ihren Interessen am besten entspricht, ihren Intellekt fordert, Problemlösekompetenzen fördert und ihr kritisches Denken schult.

Griechisch ist mehr als eine Sprache: Es ist der Schlüssel zum Verständnis unserer kulturellen Identität, es ist die Sprache der Naturwissenschaften, der Philosophie und der demokratischen Grundwerte.

Seit dem 11. März 2025 ist bekannt: Griechisch soll ab 2029 an Zürcher Mittelschulen nicht weitergeführt werden, weder als Grundlagen- noch als Schwerpunktfach.2 Das Forum Alte Sprachen Zürich setzt sich in einer Videobotschaft3 und zusammen mit Vertreter:innen der Universität Zürich und fast 5000 Unterzeichnenden ihrer Petition4 dafür ein, diesen einzigartigen Schatz für künftige Generationen zu erhalten.5 Für mehr Wahlfreiheit der Schüler:innen. Für mehr Bildung statt weniger.

Anmerkungen

1 Diese Zahlen blieben in den vergangenen zehn Jahren konstant, siehe Zahlen der Profilwahlstatistik FASZ seit 1987: https://www.fasz.ch/medien/statistik_profilwahl.php (Stand: 15.04.2025).
2 Schriftliche Mitteilung der Projektleitung WegZH zuhanden Mittelschullehrpersonen Kanton ZH.
3 Film, Statements von Ehemaligen: https://nanoo.tv/link/v/gMwnXbaA (Stand: 15.04.2025).
4 Innerhalb von sechs Tagen haben sich mehr als 3000 Menschen für den Erhalt des Schwerpunktfaches Griechisch in Zürich ausgesprochen: https://www.sglp.uzh.ch/apps/static/php/petition.php (Stand: 15.04.2025).
5 Die Forderungen im Detail: Forderung 1 – Grundlagenfach. Die vom Maturitätsanerkennungsreglement MAR vorgesehene Auswahl bei der dritten Sprache soll erhalten bleiben. Die Beschränkung auf Englisch allein beschneidet die Wahlfreiheit der Schüler:innen fundamental. Es gibt keine übergeordnete Notwendigkeit für die Entscheidung, nur Englisch als dritte Sprache zuzulassen. Forderung 2 – Schwerpunktfach. Griechisch als Stammfach soll möglich sein. Es ist gut integrierbar in die Ausgestaltung des Schwerpunktfachs «Antike und ihre Bedeutung für die Gegenwart».

Stimmen aus Bildung, Politik, Wissenschaft und Kultur

Fast ein Viertel aller Petitionsunterstützenden hat persönliche Statements verfasst – ein Zeichen für den hohen emotionalen und intellektuellen Wert dieses Faches.

Die folgenden Statements bieten einen Einblick in die über 1000 Statements. Die Autor:innen haben der Publikation auf der Homepage zugestimmt:

«Das Fach Altgriechisch steht – wieder einmal – zur Diskussion. Zu alt, zu schwierig, zu wenig
‹nützlich›, so heisst es oft. Doch genau diese Sichtweise greift zu kurz. Altgriechisch ist kein Fach wie jedes andere. Es ist ein Tor in die geistige Urlandschaft Europas, ein Schlüssel zu unserer kulturellen Identität – und ein Schatz, den wir nicht leichtfertig aufgeben dürfen. [...] Wer Altgriechisch lernt, der begegnet den Ursprüngen unserer Philosophie, Demokratie, Dichtung und Wissenschaft. Er liest Sokrates, Platon, Homer und Sophokles im Original – nicht in gefilterten Übersetzungen. [...]»
S.H.

«Griechisch ist seit mehr als hundert Jahren ein Nischenfach; bisher hat die Bildungspolitik den Wert dieser Nische anerkannt. Es gibt keinen Grund, gerade heute diese essentielle, interdisziplinär intensiv vernetzte Grundlage der gesamten Geisteswissenschaften geringzuschätzen; das Argument der kantonalen Ressourcen vermag nicht zu überzeugen, denn die Entscheidung, ein Fach zu führen, wird im Rahmen des Globalbudgets über das einzelschulische Budget entschieden.»
D.H.

«Griechisch ist das einzige Fach aus dem Gymnasium, das ich wirklich vermisse. In dieser einzigartigen Kombination aus Spracherwerb, Linguistikgrundlagen, Literatur, Philosophie und Geschichte habe ich nicht nur eine fremdartige und zugleich vertraute Kultur und Denkweise kennengelernt, ich habe gelernt mich hineinzudenken in alle möglichen Kulturen. [...]»
F.W.

https://www.sglp.uzh.ch/apps/static/php/petition.php (Stand: 15.04.2025).

«Ich habe Griechisch und Latein belegt und danach an der ETH Maschinenbau mit Spezialisierung in Robotik studiert – und ich würde es genau wieder so machen. Logisches, kritisches, abstraktes und gesamtheitliches Denken – all dies wurde beim Erlernen von Altgriechisch gefördert wie kaum in einem anderen Schulfach. [...] Eines der lehrreichsten Schwerpunktfächer streichen – weshalb?»
Y.D.

«Nicht jeder muss Altgriechisch lesen können, aber es wäre zu hoffen, dass jedes Schweizer Kind in einer Welt aufwachsen darf, in der an der Bildung nicht gespart wird, und in der ein offenes, diverses Konzept von Bildung gepflegt wird. Ich war in der glücklichen Lage, das tun zu dürfen, und danke es der Schweiz jeden Tag, dass man mir so viele Sprachen so gut beigebracht hat, dass ich mich sehr frei bewegen kann. [...]»
R.L.

«Heute Griechisch abschaffen, morgen Latein, und übermorgen dann vielleicht Französisch? Wo soll die Reise denn hingehen? Was ist die Vision? Eine immer engere Weltsicht? Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr diversifiziertes kulturelles Wissen, in der Tiefe und in der Breite, wenn wir die anstehenden Probleme lösen wollen.»
U.B.

«Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu verwehren, sich unmittelbar mit den Basistexten Europas auseinanderzusetzen, weil sie keinen materiell verwertbaren Nutzen erzielen, ist für ein Kanton, das auf den Reformator Zwingli (und seine humanistische Schulreform) so stolz ist, mehr als fragwürdig, um nicht deftigere Formulierungen zu benutzen. So verkommt Bildung zu outputorientiertem Assessment.»
B.S.

«Die Vorsteherin der Bildungsdirektion des Kantons Zürich, Dr. Silvia Steiner, schreibt zu Recht auf ihrer Webseite: ‹Wir müssen alles daran setzen, dass wir für die Kinder und Jugendlichen im Kanton Zürich die bestmögliche Bildung und Ausbildung ermöglichen. Eine starke Volksschule, die allen Kindern zugänglich ist, und ein Bildungssystem, das ganz unterschiedliche Laufbahnen ermöglicht, ist die Basis dafür.› Kommt der Kanton diesem Ziel näher, indem er das SPF Griechisch abschafft? [...]»
A.W.

«Mein Griechisch-Unterricht am Gymnasium war nebst dem Deutschunterricht dasjenige Fach, das mein Verständnis des Menschseins am nachhaltigsten geprägt hat.»
E.B.

«‹Für wichtiger als neue Computer halte ich in jeder grösseren Stadt ein humanistisches Gymnasium, wo man Griechisch und Latein nicht abwählen kann.› (Anton Zeilinger, österreichischer Quantenphysiker und Nobelpreisträger 2022, in einem Interview im Rupertusblatt)»
W.H.

«Griechischunterricht ist ein unersetzbares Bildungserlebnis für Heranwachsende. Die Vielfalt an sprachlicher Bildung, grossen Themen der Literatur, philosophischen Fragen, Deutungsangeboten der Geschichte etc. bietet kein anderes Schulfach. Beraubt die Jugend nicht dieser Chance. Leistet der kulturellen kollektiven Amnesie unserer Gesellschaft keinen Vorschub.»
R.B.

«GRIECHISCH MUSS BLEIBEN! Wie sollen sonst all die Menschen etwas über Antike, Philosophie, Religion, Psychologie und Staatsführung lernen? IN EINEM FACH! Wie sollen die Menschen gebildet werden und ein breites Allgemeinwissen erwerben, wenn nicht durch das Fach Griechisch?»
N.S.

Robert Barnea und Matthias Fischli Forum Alte Sprachen Zürich / Toggenburg24