Arbeiten aus der Ferne, nicht nur aus der eigenen Wohnung, das wünschen sich so manche Arbeitnehmer. Doch trotz Fachkräftemangel verbieten viele Schweizer Unternehmen ihren Mitarbeitern sogenannte «Workations» im Ausland. Ist das berechtigt?
Dr. iur. Roman Schister, Kursleiter des CAS Arbeitsrecht an der OST – Ostschweizer Fachhochschule, erklärt, worauf Arbeitgeber und Arbeitnehmer achten sollten.
Dr. Roman Schister, was versteht man unter einer «Workation»?
Dr. Roman Schister: Der Begriff setzt sich aus den beiden englischen Wörtern «work» und «vacation» zusammen – also die Kombination aus Arbeit und Urlaub. Darunter versteht man, dass der Arbeitsort über einen gewissen Zeitraum an einen Urlaubsort verlegt wird. Homeoffice kombiniert mit Ferien an einem schönen Ort sozusagen. Zweck der Workation ist es, Entspannung und Arbeit miteinander zu verbinden, ohne eine Lohneinbusse oder zu viele Urlaubstage in Kauf nehmen zu müssen.
Der Workation-Trend hat sich mit dem Aufkommen von flexibleren Arbeitsmodellen im Sinne von New Work entwickelt. Mit der Homeoffice-Pflicht während der Pandemie wurde vielen Unternehmen bewusst, dass Arbeitnehmer in diversen Bereichen von fast überall aus arbeiten können.
Welche Möglichkeiten für flexible Arbeitsmodelle bietet das Schweizer Arbeitsrecht?
In der Schweiz herrscht eine relativ grosse Vertragsfreiheit. Flexible Arbeitsmodelle können im Arbeitsvertrag geregelt werden, zum Beispiel wie viele Tage die Arbeitnehmer im Homeoffice arbeiten dürfen oder unter welchen Bedingungen Workations erlaubt sind.
Allzu detailliert sind Arbeitsverträge in der Praxis jedoch nicht: Häufig ist nur der Arbeitsort festgelegt, und die Genehmigung flexibler Arbeitsbedingungen erfolgt fallweise und spontan durch den Arbeitgeber. Einen gesetzlichen Anspruch auf flexible Arbeitsbedingungen – also zum Beispiel auf Homeoffice oder Workations – gibt es übrigens nicht.
Was müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei einer Workation beachten?
Bei einer Workation kommt es in erster Linie darauf an, wo sie stattfindet. Eine Workation in den Schweizer Bergen oder am Luganersee im Tessin stellt selten ein Problem dar, da weiterhin Schweizer Recht gilt. Ein längerer Aufenthalt in einem anderen Kanton könnte höchstens dazu führen, dass Arbeitnehmer dort steuerpflichtig werden.
Wenn Arbeitnehmer aber Workations im Ausland machen wollen, verändert sich die Rechtslage. Denn es entstehen internationale Verhältnisse. Workations ausserhalb der EU- und EFTA-Staaten – wie etwa in Brasilien – werden rechtlich schnell kompliziert. Die Gefahr, als Unternehmen in eine Falle zu tappen, ist enorm gross, da die Schweiz mit diesen Ländern in der Regel keine Abkommen hat, die die Arbeitstätigkeit in zwei Staaten regeln. Hinzu kommt, dass eine gültige Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung vorliegen muss.
Dagegen besteht mit den EU- und EFTA-Staaten ein dichtes Netz von Abkommen über die Arbeitstätigkeit und damit verbundene Fragen. Die Personenfreizügigkeit gewährt Arbeitnehmern und Arbeitgebern viele Freiheiten. Es gibt aber auch Regelungen, die möglicherweise überraschend sind: Kommt es zum Rechtsstreit, kann es sein, dass dieser vor ausländischen Gerichten ausgetragen werden muss, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit zum Grossteil im Ausland verrichtet. Unternehmen müssen abwägen, ob sie dieses Risiko eingehen wollen.
Was bedeutet das in der Praxis?
Wenn ich zum Beispiel in der Schweiz angestellt bin, zu 60 Prozent in Portugal arbeite und es zu Streitigkeiten mit meinem Arbeitgeber kommt, könnte ich vor den portugiesischen Gerichten klagen. Ausserdem stellt sich die Frage, ob nun das Schweizer oder das portugiesische Arbeitsrecht gilt.
Ich rate Arbeitnehmern und Arbeitgebern dazu, im Arbeitsvertrag festzuhalten, dass Schweizer Arbeitsrecht anwendbar ist. Aber auch eine solche Klausel löst nicht alle Probleme: Wenn das Arbeitsrecht in Portugal arbeitnehmerfreundlicher ist, zum Beispiel der Kündigungsschutz grösser ist, gelten diese Bestimmungen zwingend. Ein Schweizer Unternehmen müsste sich also daran halten.
Bei Staaten ausserhalb der EU/EFTA führt besonders das Sozialversicherungsrecht dazu, dass Unternehmen Workations verbieten oder einschränken.
Welche Regelungen gelten für die Sozialversicherung während einer Workation?
Auch hier kommt es auf das Zielland an. Grundsätzlich gilt innerhalb der EU- und EFTA-Staaten, dass die Sozialversicherungen am Arbeitsort bezahlt werden. Arbeitet man in mehreren Staaten, kommt es zur Versicherungspflicht im Wohnsitzstaat, wenn Arbeitnehmer dort mehr als 25 Prozent arbeiten. Bei einigen Staaten liegt diese Grenze sogar bei 50 Prozent. Das betrifft zum Beispiel unsere Nachbarstaaten, aber auch beliebte Workation-Länder wie Spanien oder Portugal.
Bei Staaten ausserhalb der EU/EFTA führt besonders das Sozialversicherungsrecht dazu, dass Unternehmen Workations verbieten oder enorm einschränken, weil dann für jedes Land einzeln geprüft werden muss, ob und in welchem Umfang eine Sozialversicherungspflicht besteht.
Werden Arbeitnehmer und Arbeitgeber während einer Workation im Ausland steuerpflichtig?
Steuerrechtlich kann kaum eine allgemeine Aussage getroffen werden. Es kommt auf mehrere Aspekte an, etwa die Dauer des Auslandaufenthalts und die Frage, ob die Schweiz mit dem Staat, in dem eine Person erwerbstätig ist, ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat. Falls dem so ist, kann vermieden werden, dass Arbeitnehmer in beiden Staaten Steuern bezahlen müssen. Es lohnt sich in jedem Fall, mit den zuständigen Behörden zu klären, ob eine Steuerpflicht besteht.