Eine seit gut fünf Jahren im Kanton lebende Syrerin wurde beschuldigt, an Heiligabend 2022 im Coop im Obersee Center in Lachen Waren im Wert von über 500 Fr. gestohlen zu haben. Eine Ladendetektivin hatte sie auf frischer Tat ertappt und den mutmasslichen Diebstahl zur Anzeige gebracht – so der Strafbefehl.
Weil der Fall ziemlich eindeutig sein soll, offerierte der Richter, dass sie ihre Einsprache zurückziehen könne. Sie verzichtete darauf und begann herumzulavieren, wie es zu einem grossen Missverständnis mit der Ladendetektivin gekommen sei. Nach einer gewissen Weile und einer lebhaften Unterredung mit der Dolmetscherin wurde es dem Richter zu bunt. Er zeichnete den Grundriss der Coop-Filiale auf ein Blatt Papier und legte es der Frau vor.
Dieses Vorgehen brachte das erhoffte Licht ins Dunkel: Mit unbezahlten Waren im Einkaufswagen hat die Dame den Laden über den Eingang wieder verlassen, da sie vergünstigten Wein und Champagner vor dem Geschäft einkaufen wollte. Danach habe sie beabsichtigt, mit dem Alkohol erneut den Eingang zu betreten und «u-förmig» den regulären Gang bis hin zur Kasse zu beschreiten. Die Frau gab an, dass sie nicht gewusst habe, dass der Coop beim Eingang ende, sofern draussen noch Produkte ausgestellt seien.
«Können Sie sich vorstellen, dass viele Ungereimtheiten und Differenzen in Ihren Aussagen auftreten?», wollte der vorsitzende Richter von der Beschuldigten wissen. Diese besprach sich wieder mit der Kadenz einer Nähmaschine mit der Dolmetscherin. «Ich habe einen Fehler gemacht, indem ich wieder herausgegangen bin. Ich werde dies nie mehr tun», so die Beschuldigte. «In unserem Heimatland gibt es so was nicht. Ich finde Klauen etwas sehr Schlimmes, ich würde das nie machen », beteuerte sie.
Das Überwachungsvideo hätte sie überführen sollen
Nach der Befragung wurden im Gerichtssaal die Überwachungskameras ausgewertet. Das Video zeigt die Beschuldigte, wie sie bei der Gemüseabteilung den Laden rückwärtig verlässt, sich zum Kiosk bewegt (um dort nach eigenen Angaben Tabak zu kaufen) und zu ihrem wartenden Sohn läuft. Danach bewegen sich beide zum Ausgang, bevor sie von der Ladendetektivin aufgegriffen werden.
Dem Richter war schleierhaft, wieso die Frau einen Bogen rund um die Rolltreppe machen wollte, um nach einem Schlenker beim Interdiscount über die andere Seite die Rabatt-Stände aufzusuchen. Hinzu kommt: Hat die Frau ihr eigenes Kind zu einem Tatwerkzeug gemacht? «Für mich ist das Video klar», meinte der Vorsitzende, «ich habe es mir mehrmals angeschaut. Das Übliche wäre gewesen, dass man den Wagen im Lokal drin stehen lässt. Oder aber, man bezahlt diese Dinge und kauft die übrigen Gegenstände draussen vor Ort.» Der Diebstahl sei passiert, als sie den Laden über den Eingang verlassen habe, da bereits dann der Gewahrsam gebrochen werde, erklärte der Bezirksrichter. Das Bezirksgericht March vollzog entgegen dem Verlauf der Verhandlung eine 180-Grad-Wende und fällte einen Freispruch. Dies ist mit den gerichtlichen Zweifeln und dem Grundsatz «in dubio pro reo» begründet. Da die Frau unschuldig ist, übernimmt der Staat die Verfahrenskosten.