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Wollerau
18.09.2019
19.09.2019 17:27 Uhr

Ein Mal Pilotin eines F-16-Kampfflugzeuges sein

Mit dem Simulator kann die ganze Welt überflogen werden. So fühlt man sich 1:1 wie eine echte Pilotin, die über das Head-Display alles im Auge behält und die Kontrolle über das Flugzeug hat. Zum Training lässt sich jede erdenkliche Situation simulieren.
Mit dem Simulator kann die ganze Welt überflogen werden. So fühlt man sich 1:1 wie eine echte Pilotin, die über das Head-Display alles im Auge behält und die Kontrolle über das Flugzeug hat. Zum Training lässt sich jede erdenkliche Situation simulieren.
Unsere Redaktionspraktikantin Geraldine Hug durfte mit einem F-16-Kampfjet-Simulator die ganze Welt befliegen und Militärmissionen üben. Gebaut hat diesen Maschineningenieur Valentino Fry aus Wollerau.

Ich sitze im Cockpit des F16-Kampfjets, vor mir die Startbahnen des Flughafens Zürich-Kloten. Auf dem Head-Up-Display vor mir blinken Dutzende Zeichen in Grün, deren Bedeutung ich von den meisten nicht einmal erraten kann. Leichte Nervosität macht sich breit. Was, wenn ich abstürze? Mir bleibt keine Zeit für weitere Gedanken, plötzlich wird das Kampfflugzeug gestartet. Immer schneller kommt das Ende der Startbahn näher. Ich bekomme die Anweisung, langsam abzuheben und bewege den Steuerknüppel leicht nach hinten. Und tatsächlich: Die Nase des Kampfjets hebt sich und bald schon schwebe ich mit etwa 400 km/h über der Schweiz – was für ein Gefühl.

Das Flugzeug auszubalancieren ist nicht ganz so einfach wie gedacht. Es gibt in der Luft keinen Linien, die automatisch für die gerade Ausrichtung – wie die Strassen beim Auto – sorgen. Ich versuche, mit dem «Trimmer» des seitlich angeordneten Steuerknüppels den Horizont auf dem Head-Up-Display  gerade zu bekommen, während ich die Berge unter mir bestaune. Freiheit, das Gefühl des unendlichen Weitblicks – jetzt verstehe ich, was Piloten so am Fliegen lieben. 

Das Geradeaus-Fliegen habe ich schnell im Griff, und so bekomme ich die Anweisung, mich doch einmal an einer Kurve zu versuchen. Ich bewege den Steuerknüppel nach links, und die Flugzeugnase gehorcht. Nur leider senkt sie sich ebenfalls in die Tiefe, so, als würden wir direkt in den Berg hinein düsen. «Oh oh», denke ich und bewege den Steuerknüppel schnell nach hinten, damit das Flugzeug an Höhe gewinnt. Nur leider war das etwas zu viel, sodass sich die Nase zu fest aufgerichtet hat. Auf einmal verliere ich die Orientierung und bin leicht verwirrt. Das Ganze nochmals von vorne, nun geht es besser. Auch Kunstflugfiguren sind möglich, mich überfällt aber ein leichtes Schwindelgefühl. Ich lehne lieber etwas zurück und schaue auf der Karte, wo wir sind. Vom Obersee in einer Schleife zum italienischen Teil der Schweiz, und das in nur wenigen Minuten? «Wow, das geht ja schnell», schiesst es mir durch den Kopf. Die Zeit vergeht wortwörtlich wie im Flug – und so befinde ich mich bald wieder in der Realität, wo ich aus dem Flugsimulator des Kampfjets F-16 aussteige und mich tatsächlich einmal als -waschechte Pilotin fühlen durfte. 

Jeden Quadratmeter der Welt überfliegen

Der Simulator an der Fällmisstrasse  35 in Wollerau ist ein originalgetreuer Nachbau des F-16-Kampfflugzeugs – sogar die Nieten stimmen 1:1 überein. «Mit der Maschine kann man alles simulieren. Vom Wetter über den Flugverkehr bis zu den Flugplätzen ist alles individuell einstellbar. Jeder einzelne Quadratmeter der Welt kann beflogen werden», sagt der 61-jährige Konstrukteur und Flugzeugbauer Valentino Fry stolz. Auch taktische Flugaufträge könnten simuliert und geübt werden, mit mehreren Flugzeugen in Formation oder einzeln. 

Das F-16-Kampfflugzeug sei ein Mehrzweckkampfflugzeug aus US-amerikanischer Produktion, 1978 wurde es in den Dienst gestellt. Es zeichne sich durch die blasenförmige Cockpithaube für eine bessere Rundumsicht, einen seitlich montierten Steuerknüppel zur einfacheren Bedienung und einer um 45 Grad geneigten Sitzposition aus. Dies, damit die Piloten den sehr hohen und lange anhaltenden Beschleunigungen besser standhalten können. «Wenn das Flugzeug beschleunigt, wirkt bis zum 10-Fachen des eigenen Körpergewichts auf den Piloten», erklärt Fry. Das Design der F-16 vereinfache dies und sei deshalb revolutionär. Es werde noch heute von 25 Staaten eingesetzt. 

Anders als das Flugzeug sei der Simulator jedoch völlig ohne Risiko, da er statisch sei, erklärt Fry. Für die Planung und Umsetzung hat er rund zwei Jahre gebraucht, zusammen mit F-16-Simulatorspezialisten aus Polen und Lockheed Martin, dem Flugzeughersteller, der die Software lieferte. Um den Simulator zu betreiben, gründete Fry den Verein -«F-16-Simulator-Team». Er möchte vor allem flugbegeisterte Leute mit dem Simulator fliegen lassen und sie dabei die wunderschöne Schweiz erleben lassen. Der Kampfjet-Simulator könne ab sofort geflogen werden. «Ich selbst fliege am liebsten durch die Schweiz», verrät Fry.

Erfahrung und Wissen an Jüngere weitergeben

Mit 17 Jahren absolvierte Fry die Flugschule, war insgesamt 30 Jahre lang Pilot und Fluglehrer und spezialisierte sich als Erprobungspilot und Bauberater in der experimentellen Fliegerei. Schon mit 24 Jahren hat er sein erstes eigenes Flugzeug gebaut und den Erstflug erfolgreich abgeschlossen. Ein ganz spezielles Exemplar, das nur aus geklebten Kunststoffteilen besteht, hängt sogar im Verkehrshaus. Nach insgesamt 23 Erstflügen als Erprobungspilot und vier selbst gebauten Flugzeugen musste sich der 61-Jährige jedoch aus gesundheitlichen Gründen vom Pilotendasein verabschieden. 

Um trotzdem noch – jedenfalls virtuell – zum Fliegen kommen, habe er beschlossen, einen Simulator zu bauen. So wurde es auch plötzlich möglich, direkt von Zuhause aus «loszufliegen». Ausserdem will er Gelerntes mit anderen teilen: «Ich würde es schade finden, wenn meine jahrzehntelange Erfahrung einfach im Sand versickern würde. Deshalb möchte ich mit dem Simulator und der Unterstützung beim Fliegen mein Wissen an andere weitergeben.»

Der Simulator ist der exakte Nachbau des Cockpits der F-16. Steuerung etc. funktionieren genau gleich wie in der echten F-16 – nur ist der Simulator statisch.
aa