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12.06.2024
12.06.2024 14:04 Uhr

«Auf jeden Fall bin ich immer meiner Neugierde gefolgt»

Hierzulande kennt man Nicole Büttner unter anderem aus der Sendung «Die Höhle der Löwen Schweiz».
Hierzulande kennt man Nicole Büttner unter anderem aus der Sendung «Die Höhle der Löwen Schweiz». Bild: zvg
Man kennt sie weit über Deutschlands Grenzen hinaus, morgen Donnerstag bildet sie den Abschluss des zweiten Wirtschaftsforums Obersee: Nicole Büttner, KI-Unternehmerin, Investorin, «Digital Leader of Europe». Ihr Thema am Forum: KI. Im Interview spricht sie auch über sich

Was verschlägt Sie ans Wirtschaftsforum Obersee beziehungsweise sind Sie der Einladung gerne gefolgt?

Mein unternehmerischer Mittelpunkt ist ja eigentlich Berlin, dort bin ich sehr aktiv im deutschen Start-up-Ökosystem. Aber ich bin selbst Schweizerin, lebe in der Zentralschweiz und habe eine enge Verbindung zum Zürichsee. Es ist für mich eine der wirtschaftsstärksten und zugleich lebenswertesten Regionen der Welt. Das sind optimale Bedingungen, um an innovativen Themen zu arbeiten.

Ihr Vortrag läuft unter dem Motto «Playing to win – Wie man KI erfolgreich einsetzt.» Verraten Sie vorab, ein, zwei Schlüsselthesen?

Das Thema KI wird alle Branchen grundlegend verändern. Wer in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben will, darf nicht am Spielfeldrand stehen bleiben, sondern muss aufs Feld und selbst umsetzen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir uns als Europäer bei dem Thema schon abgeschrieben haben und nur noch Schiedsrichter spielen wollen. Meine Überzeugung ist, dass Europa in gewissen Feldern an die Weltspitze kann, und zwar nicht nur in der Forschung, wo wir schon top aufgestellt sind, sondern in der Umsetzung und kommerziellen Nutzung.

«Ich habe eine enge Verbindung zum Zürichsee.»
Nicole Büttner, KI-Unternehmerin

Networking respektive Vernetzung ist ein wesentliches Ziel des Forums. Entstehen die besten Ideen tatsächlich mit vielen Köpfen oder «verderben doch manchmal zu viele Köche den Brei»?

Für mich ist es wichtig, sich mit anderen Leuten zu vernetzen, an Veranstaltungen zu gehen, das gehört bei mir ganz wesentlich zum kreativen Prozess dazu. Dort lerne ich Neues, kann auch Themen verknüpfen und es entstehen neue Verbindungen und Ideen. Dann braucht es aber auch immer Phasen, wo man solche Begegnungen reflektieren kann, eigene Gedanken fassen kann. Es ist wie bei vielem: Die richtige Balance macht es aus.

Ihre eigene Laufbahn startete mit dem Studium der Volkswirtschaft. Was haben Sie nach dem Abschluss «richtiger» gemacht als andere?

Ich glaube, man kann das so nicht pauschalisieren. Ich bin für mich den richtigen Weg gegangen, aber das heisst nicht, dass es für andere auch so gewesen wäre, oder dass ich alles richtig gemacht habe. Auf jeden Fall bin ich immer meiner Neugierde gefolgt, ich habe für mich gemerkt, dass ich unbedingt an Themen arbeiten muss, wo ich viel lerne, und ausserdem sind die Menschen für mich sehr wesentlich. Ausserdem habe ich immer besser gelernt, wo meine eigenen Stärken und Schwächen liegen. Das leitet oft meine Entscheidungen und sind gute Berater für mich.

Was ist für Sie persönlich das Faszinierende an der KI?

Vor allem ihr enormes Potenzial, die Art und Weise, wie wir leben und arbeiten, grundlegend zu verändern. KI kann eine Vielzahl von Aufgaben schneller und präziser erledigen als Menschen und uns so von repetitiven und zeitraubenden Tätigkeiten entlasten. Dadurch bleibt mehr Zeit für kreative und strategische Aufgaben, was letztlich zu mehr Innovation und Fortschritt führt. Besonders spannend finde ich die Fähigkeit der KI, riesige Datenmengen zu analysieren und daraus Erkenntnisse zu gewinnen, die uns sonst verborgen bleiben würden. Dies kann in Bereichen wie der Medizin, wo KI bei der Diagnose und personalisierten Behandlung von Krankheiten hilft, oder im Umweltschutz, wo sie Muster im Klimawandel erkennen kann, von unschätzbarem Wert sein.

Vielen macht der Blick in die Zukunft mit immer mehr KI Angst. Für Sie nachvollziehbar? Mit welchem Gefühl blicken Sie auf – sagen wir – das Jahr 2050?

Es ist verständlich, dass viele Menschen beim Gedanken an eine Zukunft mit immer mehr Künstlicher Intelligenz Besorgnis verspüren. Technologische Veränderungen können Unsicherheiten mit sich bringen, und es ist normal, dass solche schnellen Fortschritte gemischte Gefühle hervorrufen. Für mich persönlich überwiegen jedoch die Hoffnung und der Optimismus, wenn ich an das Jahr 2050 denke. Ich sehe in der KI vor allem eine grosse Chance, viele der Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, zu bewältigen. Natürlich wird es wichtig sein, diese Technologie verantwortungsvoll und ethisch zu entwickeln und einzusetzen. Transparenz, Datenschutz und der Abbau von Vorurteilen in den Algorithmen sind entscheidend, um das Vertrauen der Menschen zu gewinnen und negative Auswirkungen zu minimieren. Mit Blick auf das Jahr 2050 stelle ich mir eine Welt vor, in der KI uns in vielen Bereichen unterstützt: von der Gesundheitsversorgung, wo sie präzisere Diagnosen und personalisierte Behandlungen ermöglicht, bis hin zur Bewältigung des Klimawandels durch effizientere Ressourcennutzung und innovative Lösungen. Auch in der Bildung könnte KI eine massgeschneiderte Lernumgebung schaffen, die jedem Schüler hilft, sein volles Potenzial auszuschöpfen.

«Die Menschen sind für mich sehr wesentlich.»
Nicole Büttner, KI-Unternehmerin

Wirft man einen Blick auf all Ihre Tätigkeiten, wünschte man sich Ihren Terminplaner. Oder überlassen Sie das bereits der KI?

Mein Terminplaner ist eine Mischung aus Handarbeit und Automatisierung. (lacht)

Zum Thema viele Tätigkeiten: Sie sind Ökonomin, Mitgründerin und CEO des Unternehmens Merantix Momentum, das Firmen wie Zalando und Siemens zur künstlichen Intelligenz (KI) unterstützt. Wie darf man sich das vorstellen?

Wir helfen Unternehmen und Behörden dabei, KI erfolgreich umzusetzen. Konkret heisst das, wir haben ein hoch qualifiziertes Team aus KI-Spezialisten, die sowohl Roadmaps und KI-Strategien entwickeln, als auch konkret Applikationen bauen und umsetzen. Wir bauen also zum Beispiel Applikationen, die im Produktionsbereich Qualitätsmanagement teilautomatisieren, Absatz- und Betriebsplanung optimieren oder die für Rechtsabteilungen Vertragsprüfungen vornehmen. Genauso arbeiten wir mit Pharmafirmen in der Pharmakovigilanz oder setzen für unsere Kunden Systeme mit generativer KI um, zum Beispiel lokale Instanzen von ChatGPT oder ähnlichen Systemen.

«Das Bauchgefühl muss auch stimmen.»
Nicole Büttner, KI-Unternehmerin

Wenn Sie entscheiden, in ein Start-up zu investieren, ist es dann eine faktenbasierte Vernunftentscheidung oder gibt schlussendlich doch auch in digitalisierten Zeiten das Bauchgefühl den entscheidenden Ausschlag?

Als Investorin in frühphasige Themen schaue ich mir immer zwei Punkte vorrangig an: Marktpotenzial und -grösse sowie Gründungsteam und deren Referenzen aus vorherigen Aktivitäten und Expertise auf dem Thema an. Ich denke, am Ende sind analytische Faktoren ausschlaggebend, aber das Bauchgefühl muss auch stimmen.

Als Unternehmerin kürte Sie das World Economic Forum zum «Digital Leader of Europe» und das Capital Magazin bereits zweimal unter die Top 40 unter 40. Was bedeuten Ihnen solche Auszeichnungen?

Sie sind immer eine grosse Ehre. Es ist schön, Wertschätzung für Erreichtes zu erhalten und ich freue mich natürlich über solche Nominierungen sehr. Am Ende blicke ich aber mehr in die Zukunft, auf Dinge, die ich noch erreichen möchte, Ziele, die ich noch habe.

In Deutschland sind Sie auch als Politikerin tätig, bei der FDP. Geht es Ihnen in erster Linie darum, die politischen Rahmenbedingungen für (Jung-)Unternehmen zu verbessern? Oder haben Sie auch andere politische Schwerpunkte?

Ich bin Unternehmerin und sehe mich nicht vorrangig als Politikerin, aber ich bin in vielen Foren ehrenamtlich aktiv, um die Welten von Politik und Wirtschaft sinnvoll zu verbinden. Dafür engagiere ich mich beim Start-up-Verband in der Tat bei der FDP in Deutschland, habe aber keine Parteiämter (mehr) und auch kein politisches Mandat. Ich engagiere mich aber auch beim Lucerne Dialogue hier in der Schweiz. Und ja, am Ende geht es mir darum, dass wir die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, damit der Wirtschaftsstandort Europa wettbewerbsfähig und lebenswert bleibt, dass Menschen hier Chancen haben, dass wir zusammenarbeiten und gemeinsame Ziele sinnvoll bündeln

Nicole Büttner

Hobbys: Skifahren, Kitesurfen
Sushi oder Burger: Sushi
Cappuccino oder Espresso: Cappuccino
Paperback oder E-Book: Paperback

Michel Wassner, Redaktion March24 & Höfe234