«Kaum je kommt man einem Menschen des Mittelalters so nahe wie bei dieser Handschrift des St.Galler Mönchs Ekkehart mit seinen Tischsegnungen. Sie ist von ihm eigenhändig geschrieben und immer wieder korrigiert und überarbeitet worden», sagt Cornel Dora, Stiftsbibliothekar über die älteste Schweizer Quelle zum Essen und Trinken.
Für den Ausstellungskatalog hat die Stiftsbibliothek die 280 Verse neu herausgegeben und mit einer Übersetzung versehen.
Andere Zeiten und Sitten
Ekkehart lebte in einer anderen Welt als wir heute – gerade in der Ernährung. Das betont der Ernährungshistoriker Dominik Flammer, Co-Kurator der Ausstellung: «Kartoffeln, Mais und auch Tomaten, die wir heute schätzen, waren unbekannt, Kartoffeln und Tomaten stammen aus Südamerika und Mais aus Mexiko. Erst ab dem 16. Jahrhundert kamen sie auch in Europa auf den Tisch.»
Gemüsesorten wie Fenchel und Sellerie wurden nur als würzendes Kraut verwendet. Auch die Tischsitten waren anders: «Im Mittelalter wurde feste Nahrung mit der Hand gegessen, Trinkbecher und Messer wurden geteilt, Geschirr war selten», sagt Dora. Das zeigen Bilder in Handschriften, etwa des letzten Abendmahls.
Ein Feuerwerk an Speisen
Ekkeharts Tischsegnungen sind ein Feuerwerk an verschiedensten Speisen, vom Brot über Fische, Fleisch, Gemüse und Früchte bis hin zu verschiedensten Getränken, alles sehr vielfältig und mit realen Bezügen. Und die Reime innerhalb der Verse bringen einen leichten Humor, etwa wenn es heisst: «Die gesegnete Forelle, sei gegessen auf der Stelle,» oder «Die Birn’, den Äpfeln beigegeben, soll nicht meinen Bauch erregen.»
Querschnitt durch die Ernährungsgewohnheiten
Doch es gibt auch Gemeinsamkeiten zwischen der mittelalterlichen und der modernen Tafel. Auch im Mittelalter kamen Getränke verschiedenster Art (Wasser, Wein, Bier, Obstund Fruchtsäfte), Getreide (Brot, Mus), Fleisch und Fisch, Gemüse, Käse und Spezialitäten wie Pilze sowie Gewürze aller Art auf den Tisch.
Das mittelalterliche Leben war spirituell bestimmt, was sich in weit gehenden Fastenbestimmungen äusserte. Pro Jahr gab es rund 140 Fasttage, an denen oft nicht nur auf Fleisch, sondern auch auf Eier und Milch verzichtet wurde. «Auch hierzu hat Ekkehart Verse zum Schmunzeln verfasst», sagt Dora. «So wurde der Biber als Fisch betrachtet und war deshalb als Fastenspeise erlaubt.»
Katalog mit Einbettung in den grösseren Kontext
Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog. Er enthält neben Texten zu den Ausstellungsobjekten eine Einleitung und einige Kurztexte des bekannten Schweizer Ernährungshistorikers Dominik Flammer, der die St.Galler Quellen in den grösseren Kontext der Ernährungsgeschichte einbettet.
Die Zürcher Grafikerin Cornelia Gann hat zudem aus historischen Bildern zum Thema Ernährung Grafiken geschaffen, die den Katalog und die Ausstellung bereichern. Der Katalog enthält schliesslich auch eine Ausgabe von Ekkeharts Benedictiones ad mensas mit deutscher Übersetzung.