Das Coronavirus machte den Reichenburger Andy Kistler gleich dreifach (!) einen Strich durch die Rechnung: ein womöglich goldener Abschied als Equipenchef wurde ihm durch die Verschiebung der Olympischen Spiele genommen, womöglich muss er als neuer Chef des CSI Basel einen Sportanlass absagen, und hätte er sich vor Jahren nicht als erfolgreicher Manager auch zugunsten des Reitsports aus dem WC-Papier-Geschäft zurückgezogen, dann wäre ihm nun dank der Hamsterkäufe der besorgten Konsumenten eine einmalige Hausse in seinem Marktsegment nicht entgangen.
Die Liste der Erfolge der Schweizer Equipe unter Kistler ist lang: EM-Gold von Martin Fuchs 2019, EM-Bronze mit dem Team 2015 und 2017, WM-Silber und- Bronze durch Fuchs und Steve Guerdat 2018, drei Siege von Guerdat am Weltcup-Final und vieles mehr. Aber der ganz grosse Coup mit der Equipe blieb Kistler verwehrt. Dies schmerzt ihn wohl immer noch, zumal er sehr nahe dran war. An den Weltmeisterschaften 2018 in Tryon in den USA war die Schweiz nach dem ersten Tag Erster, nach dem zweiten Tag mit komfortablem Vorsprung Erster und nach dem dritten Tag Vierter! Diese Scharte hätte Kistler nur allzu gern ausgewetzt. Und es wäre für Tokio 2020 ja alles angerichtet gewesen für ein erfolgreiches letztes Jahr als Equipenchef: Guerdat die Weltnummer 1, Europameister Martin Fuchs die Weltnummer 2, der 22-jährige Aufsteiger und Rohdiamant Bryan Balsiger, Pius Schwizer als Routinier mit Weltklasse-Format oder ein Niklaus Rutschi. Beim dritten Anlauf hätte es mit dem Triumph als Mannschaft doch klappen müssen, nachdem bei den WM 2018 und den EM 2019 die ausgezeichnete Ausgangslage nicht in Gold umgemünzt worden ist.
Kistler verbrachte in Spitzenjahren bis zu 140 Tage an Turnieren, an 35 Wochenenden gab es nur den Reitsport. Für seinen Nachfolger Michael Sorg liegt diese Belastung kaum drin, deshalb springt Kistler gerne ein. «Aber die Entscheidungsprozesse liegen bei Michel. Ich will da nicht mehr reinreden oder unter Druck stehen», betont Kistler.
Herausforderung mit CSI Basel
Das Coronavirus stellt die Veranstalter vor grosse Herausforderungen. Kistler ist mit diesen gleich in seinem ersten Jahr als Chef des CSI Basel konfrontiert. Es geht um Schutzkonzepte, um den Passus Coronavirus in den Vertragsverhandlungen mit den Sponsoren, um einen Vorverkauf, der noch nicht gestartet werden kann, und letztlich um die Frage Ja oder Nein. Oslo, Helsinki, Stuttgart und Madrid, alles Weltcup-Destinationen, haben bereits abgesagt. «Ab 3000 Zuschauer können wir durchführen», meint Kistler zu Basel.
Mit dem CSI Basel findet der Schwyzer weiterhin die Möglichkeit, seinen Einfluss im Pferdesport, zu dem er als Quereinsteiger wegen seiner Töchter gestossen ist, geltend zu machen. Sein Motto: Das Springreiten soll seine Ausstrahlung über den Sport holen, nicht übers Geld. Als Equipenchef kämpfte Kistler für dieselben Werte. Er stieg zum inoffiziellen Chef der Equipenchefs auf und setzte sich in dieser Funktion für die Stärkung der Nationenpreise ein.
In einer Woche im Rahmen des CSI Humlikon wird Kistler verabschiedet werden, aber aus dem Reitsport verschwindet er, so denken die meisten, zum Glück noch nicht.