Puppen-Mama und Baggerfahrer
Ab dem ersten Geburtstag greifen Mädchen zu Puppen, Jungen zu Fahrzeugen. «Mit Puppe und Kleiderkoffer lässt sich viel differenzierter spielen», sagt Gabriele Haug-Schnabel, die das Institut «Forschungsgruppe Verhaltensbiologie des Menschen» betreibt.
Bei Jungen, die mit Autos hin- und herfahren, sei das Spiel oft begrenzt. Jungenexperte Winter empfiehlt, das Spiel zu erweitern: «Dann sind da nicht nur Autos, die aufeinanderprallen, sondern auch ein Krankenhaus, wo die verletzten Autofahrer geheilt werden, bis sie dann wieder nach Hause kommen und gemeinsam kochen», sagt er.
Auch bei sportlichen und gestalterischen Übungen gibt es Unterschiede: Jungen interessieren sich mehr für Klettern, Fussball und körperorientierte Spiele. Mädchen lieben es, mit der Bastelschere kreative Dinge zu entwerfen. «Das verstärkt sich bis ins Schulalter, wenn Geschlechter stereotyp gefördert werden», sagt die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Inés Brock.
Im Kindergarten, wenn die Kleinen ihre ersten Gruppenerfahrungen machen, seien alternative Angebote wichtig. So trainieren beide ihre Schwachstellen. Damit Spielbereiche für beide Geschlechter spannend sind, empfiehlt die Verhaltensbiologin Haug-Schnabel, sie zu ergänzen. «Zum Beispiel das Holzarbeiten mit Verzieren, Buchstaben und Zahlen kombinieren», sagt sie.
Wie der Vater, so der Sohn
Ob man ein Mädchen oder Junge ist, lernen Kinder erst mit der Zeit. «Zwischen zwei und drei Jahren können Kinder die Erwachsenen nach Geschlechtern sortieren, erst danach ordnen sie sich selbst ein», so Winter. Ab drei Jahren wird das Geschlecht relevant für die Identität. «Kinder fahnden nach allen Stereotypen in ihrem Umfeld, die ihnen die Zuordnung einfacher machen», sagt er. Eine wichtige Rolle haben dabei gleichgeschlechtliche Erwachsene wie Mutter, Vater, Erzieher oder Erzieherin. «Mit dem nachahmenden Verhalten versuchen sie, ihre Identität zu sichern», erklärt Inés Brock.
Anstrengender ist es für Jungen. «Durch den grossen Überhang an weiblichen Bezugspersonen in Kita und Schule ist es für sie viel schwieriger, sich in ihrer Männlichkeit zu Hause zu fühlen», sagt sie. Folglich orientieren sich Jungs stärker an gleichaltrigen Jungs als das Mädchen tun, so Winter. «Sind männliche Erzieher vorhanden, sollten sie mit den Jungs basteln und nicht explizit Jungszeug spielen», rät die Psychologin. So lernen sie einen anderen Typ Mann kennen. Das gilt auch für Väter: «Die neue Generation hat die Aufgabe, sich in neuen Rollenbildern zuhause zu fühlen.»
Prinzessin oder Feuerwehrmann
Was Kinder mögen, zeigen sie auch mit ihrer Kleidung. Shirts in Rosa oder Blau, verziert mit Einhorn oder Dinosaurier, Regenbogen oder Feuerwehr: Forscher wissen, dass das Kind die gelernte Zuordnung zur Identifikation benutzt. «Wir sollten aber sensibel damit umgehen, sodass ein Junge, der sich als Prinzessin verkleiden will, nicht kritisiert wird, genauso wenig, wie ein Mädchen, das keinen Rock tragen möchte», sagt Inés Brock.
Dass Kleidung schmückt, lernen Mädchen durch Erwachsene. «Wenn man ihnen sagt: «Du bist toll angezogen», prägt das ihre Affinität zum schönen Aussehen», so Gabriele Haug-Schnabel. Jungen lernen, dass Kleidung eine Funktion hat. «Ihnen wird viel häufiger gesagt, dass sie eine echte Handwerkerhose tragen», sagt sie.