Home Region Sport Agenda Schweiz/Ausland Magazin
Auto & Mobil
04.03.2022
04.03.2022 16:01 Uhr

Dieser Mann hat Benzin im Blut

Für Nic Werder gehören Oldtimer-Fahrten zu den letzten grossen Abenteuern der Menschheit.
Für Nic Werder gehören Oldtimer-Fahrten zu den letzten grossen Abenteuern der Menschheit. Bild: Heidi Peruzzo, zvg
Nic Werder aus Altendorf ist seit Kindheit dem Oldie-Virus verfallen. In seinem Oldtimer-Hotel in Schindellegi hütet er wahre Schätze.

Der silbrige Alvis startet bereits nach wenigen Versuchen und knattert lautstark an mir vorbei. «Heute würde man mich wohl einen «Poser» nennen», ruft mir Nic Werder mit schelmischem Blick zu. Der 57-jährige passionierte Oldtimer-Sammler und der 90-jährige Silberblitz sind ein Hingucker. Im Dunst einer Benzinfahne fahren sie durch das Tor des Oldtimer-Hotels im Chaltenboden in Schindellgi und strahlen im Sonnenlicht um die Wette. Etliche Passantenbleiben bewundernd stehen.

Eines der letzten Abenteuer

«In einem Oldtimer auszufahren, verspricht immer eine grosse Portion Abenteuer», ruft mir Werder zu. Er weiss, wovon er spricht. Als Rennfahrer durfte er schon zahlreiche nationale und internationale Rallys bestreiten. Mit 50 Jahren ging sein grösster Traum in Erfüllung: Er durfte an der bekannten Rally Mille Miglia teilnehmen. Dieses legendäre Rennen führt 1000 Meilen – rund 1600 Kilometer – von Brescia nach Rom und wieder zurück. «Bei dieser Rally ist alles erlaubt, was sonst verboten ist», erzählt der Crack. «Die Geschwindigkeitsradars an der Strecke werden ausgeschaltet, Sicherheitslinien verlieren zeitweise an Bedeutung.» Das schönste sind für Werder aber die begeisterten Leute am Strassenrand. «Man fühlt sich überall willkommen, wildfremde Menschen jubeln uns zu. Ich kann mir vorstellen, dass sich die Alliierten genauso gefühlt haben mussten, als sie in Frankreich landeten. Hält man irgendwo in einem Dorf, wird einem von links ein Teller Pasta und von rechts ein Glas Vino gereicht.»

Nic Werder aus Altendorf ist ein Kenner der Oldtimer Szene. Bild: Heidi Peruzzo, zvg

Mit Benzin im Blut aufgewachsen

Die Leidenschaft für Autos wurde ihm in die Wiege gelegt. Sein Vater war Garagist und begnadeter Mechaniker, der Spielplatz des Sohnes war die elterliche Werkstatt im Baselbiet. 57 Jahre später nennt der gelernte Automechaniker einige Oldtimer sein Eigen und führt seit 2017 ein Oldtimer-Hotel in Schindellegi. Seine Firma Obersee-Classic bietet nebst 60 Plätzen für «4-rädrige Lieblinge» auch ein grosses Fachwissen und 40 Jahre Berufserfahrung für «altes Eisen». «Im Chaltenboden biete ich einen sicheren Ort für diejenigen Oldie-Sammler, die zu Hause keinen Platz haben», so der Geschäftsmann. In der Halle des Oldtimer-Hotels stehen etliche in schwarzes Tuch verhüllte Schätze. Bei einigen darf ich einen kurzen Blick darunter erhaschen. Diskretion scheint im Oldtimer-Business selbstverständlich zu sein.

«Neid ist ein grosses Thema. Daher verstecken viele Oldie-Sammler ihre Schätze.»
Nic Werder, Inhaber Obersee-Classic Schindellegi

In Youngtimer investieren

Für viele sind Oldtimer «nur» eine gute Wertanlage. Zahlreiche Klassiker sind irgendwo in einer versteckten Garage eingelagert, diese Autos werden nie bewegt. Die Klientel der Vorkriegsautos wird immer kleiner. «Die Preise von Vorkriegsfahrzeugen sinken, die jüngere Generation investiert lieber in Youngtimer», weiss der Fachmann.

Die Schweiz hat die besten Oldtimer

Ein Auto gilt ab 30 Jahren als Oldtimer. Man hört auch oft den Ausdruck Veteran. Mit der Veteranenprüfung muss man das Auto nur noch alle sechs Jahre vorführen, hat aber eine begrenzte Kilometerleistung von 3000 Kilometer pro Jahr.

Die Schweiz hat qualitativ die besten Oldtimer weltweit, «weil die Strassenverkehrsämter bei uns sehr streng sind», so der Experte. Schweizer Veteranen gelten im Ausland als die gepflegten Geheimtipps.

Nic Werder (rechts) und sein Bentley LeMans 1941 bei einer Osteraktion des Kiwanis Club March-Höfe. Bild: Heidi Peruzzo, zvg

Jährliche Zunahme der Oldies

Die Zahl der Veteranen steigt jährlich stark an. Eine vom Oldtimer-Dachverband Swiss Historic Vehicle Federation (SHVF) in Auftrag gegebene 2020-er Studie kam für 2019 auf 156 000 Oldtimer in der Schweiz. Viele Oldtimer-Besitzer haben mehr als ein Fahrzeug, meistens zwei oder drei.

Dank der Astra-Jahresstatistik können Interessierte einen virtuellen Blick in Schweizer Sammler-Garagen werfen. Am Stichtag Ende September 2021 waren 53 Personenwagen in der Schweiz offiziell zugelassen, die 111 Jahre und älter sind. Ein zugelassenes Auto ist mit einem normalen kantonalen Kontrollschild ausgerüstet und von Amtes wegen kontrolliert. Diese Veteranen dürfen somit im öffentlichen Verkehr fahren. Nicht erfasst werden Sammlerfahrzeuge, die in einer Sammlung schlummern oder mit einer Garagennummer bewegt werden.

«Im Kanton Schwyz hat es schätzungsweise 1500 Oldtimer, viele sind in Ausserschwyz.»

«Diese Autos haben Geschichte»

Werder fährt seine Oldtimer abwechslungsweise, jeder ist eingelöst. Der silbrige Alvis Firefly 4.3 Special, welcher jetzt auf dem Vorplatz im Chaltenboden steht, ist sein Lieblingsfahrzeug.

«Das ist eben eine echte Wildsau». Dieses Auto hat kein Dach, eine Ausfahrt ist für Fahrer und Beifahrer jedes Mal auch ein Gesichtspeeling. Die Kleber auf der silbrigen Carrosserie erzählen von zahlreichen gemeinsamen Abenteuern. Dazu gehören das Klausenrennen, das Alpenbrevet, der GP Nuvolari sowie verschiedene Classics wie Heidiland, Lenzerheide oder Südsteiermark.

  • Werders Lieblingsauto: der Alvis Firefly 4.3 Special. «Dieses Auto ist eine Wildsau. » Bild: Heidi Peruzzo, zvg
    1 / 2
  • So sah der 1932 gebaute Alvis Firefly 4.3 früher aus. Bild: Heidi Peruzzo, zvg
    2 / 2

Jeder Oldtimer erzählt eine Geschichte, das ist für Werder Kulturgut und macht einen grossen Teil der Faszination aus. Sein Alvis kommt ursprünglich aus England und wurde an Heiligabend 1932 aus dem Werk entlassen. Den Autohersteller Alvis gab es nur bis 1950. «Dieses Auto habe ich im Rohbau in einem himmeltraurigen Zustand Ende 2011 in England gekauft. Während der Kriegsjahre wurde er als Rennauto umgebaut. Bei mir bekam er eine neue Carrosserie.» Ursprünglich hatte der Oldie einen 1.5-Liter-Motor, heute hat er einen 4.5-Liter-Motor. Die Bolide wird noch mit Kabeln gebremst und ist mit der Original-Autonummer versehen. Der Besitzer investierte fünf Jahre Arbeit in dieses Wunderwerk.

«Jeder Oldtimer erzählt eine Geschichte, das ist Kulturgut.»

123-jähriges Auto war lange Zeit in Schindellegi

Das älteste immer in der Schweiz immatrikulierte Fahrzeug befand sich bis Ende 2021 bei einem Besitzer in Schindellegi. Der 123-jährige Oldtimer vom Typ Bardon Modell 4/5 CV wurde am 1. Januar 1899 in Basel zugelassen. Gemäss Aussagen vom Verkehrsamt Pfäffikon war diese Rarität lange Zeit im Kanton Schwyz angemeldet, wurde jedoch Ende 2021 beim Verkehrsamt abgemeldet und nach England überführt. «Es wäre wahrscheinlich schwierig für Sie gewesen, den Besitzer dieser Rarität ausfindig zu machen», meint Werder zu mir. «Viele haben ihren Oldtimer zu Hause versteckt, Neid ist leider ein grosses Thema. Man spricht nicht gerne in der Öffentlichkeit über seine Oldies.» Werder schätzt, dass es im Kanton Schwyz ca. 1500 Oldtimer hat, davon ca. 200 Vorkriegsautos. «Viele davon sind in Ausserschwyz.»

Heidi Peruzzo, Redaktion March24 & Höfe24