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Sport
01.03.2022

Wie das Chilbischiessen die Prüfungsangst vertrieben hat…

 Betreuer Michael Trümmel (l.) sowie LGS-Präsident und «Götti» Reto Schnyder (r.) mit den jungen Schützen. (v.l.n.r: Sonja Schnellmann, Michael Moller, Tim Rogenmoser und Maya Leicht)
Betreuer Michael Trümmel (l.) sowie LGS-Präsident und «Götti» Reto Schnyder (r.) mit den jungen Schützen. (v.l.n.r: Sonja Schnellmann, Michael Moller, Tim Rogenmoser und Maya Leicht) Bild: Stefan Grüter
Im Schiesskeller in der Buechberghalle in Wangen trainiert der Nachwuchs der Luftgewehrschützen (LGS) Wangen regelmässig. Dabei geht es nicht nur um die Treffsicherheit auf den Scheiben.

So, jetzt machen wir die erste halbe Stunde Theorie.» Reto Schnyder hat eine kleine Truppe im Schiesskeller in der Buechberghalle in Wangen versammelt. Maya Leicht, Sonja Schnellmann, Tim Rogenmoser und Michael Moller hören aufmerksam zu. Reto Schnyder wird unterstützt von Michael Trümmel. Heute geht es darum, sich auf einen Wettkampf vorzubereiten. Schnyder doziert nicht, er fragt. Seine Jungschützinnen und Jungschützen geben Antwort. «Zwei Tage vorher packen», sagt Sonja. Sie will auch genug schlafen, «damit ich für den Wettkampf genügend Energie habe». Michael Trümmel wendet ein: «Fürs Packen ist eine Checkliste hilfreich.» Es leuchtet ein. Maya wird vor dem Wettkampf etwas essen. Was? «Etwas, das nicht aufliegt», sagt Maya. «Jawohl, nicht, dass du dann während des Wettkampfes rülpsen musst», ergänzt Reto Schnyder und erntet damit Lacher.

«Das hilft im schulischen Alltag»

Das Training der Luftgewehrschützen LGS Wangen ist locker, aber zielgerichtet. Keine Wettkampf-Atmosphäre, aber diszipliniertes Arbeiten. Auch an sich selbst. Vieles, das die Jugendlichen zwischen 12 und 20 Jahren heute Abend lernen, können sie im Alltag einsetzen.

Maya, die über den Neuzuzügeranlass mit dem Schiesssport in Berührung gekommen ist und seit drei Jahren schiesst, hat die Prüfungsnervosität verloren, und ist froh darüber. Gleich geht es auch Sonja. Sie hat beim Schiessen gelernt, sich zielgerichtet auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. «Und das hilft natürlich im schulischen Alltag.» «Atemtechnik », ist ihr Stichwort. Das hat sie im Schiesskeller gelernt, und das fördert die Konzentration.

Zur Selbstständigkeit motivieren

Tim, mit 20 der älteste dieses Quartetts, hat schon einiges an Erfahrung gesammelt. Er gibt Tipps, wann man am Wettkampfort erscheinen soll. «Lieber etwas zu früh als zu spät.» «Sonst musst du dann schneller schiessen », wendet Michael Trümmel ein. Die Truppe lacht herzhaft, wohlwissend, dass dies nicht zum gesteckten Ziel führen würde. «Die Lokalität erkunden », gibt Reto Schnyder weitere Tipps. «Wo sind die Toiletten? Wo kann ich mich umziehen? Wo bekomme ich vielleicht noch etwas zu trinken?» Alles Ratschläge, die die Jugendlichen zur Selbstständigkeit motivieren.

Michael Moller, mit 12 der Jüngste in diesem abendlichen Training, sagt nicht viel. Für ihn sind Wettkämpfe noch nicht etwas Alltägliches. Er wird dabei auch begleitet, von Reto oder seinem Assistenten Michael Trümmel. Ruhig und sicher wird er an die Wettkampf- Atmosphäre herangeführt.

«Die Jugendlichen lernen hier auch etwas fürs Leben.»
Reto Schnyder, Präsident LGS Wangen

Waffenkunde gehört dazu

Nach der Theorie erfolgt das Übungsschiessen. Auch jetzt bricht keine Hektik, kein Holdrio aus. Jede und jeder bringt sich in Stellung, zieht die spezielle Kleidung an, welche die Jugendlichen für zwölf Franken im Monat mieten können. Sie nehmen die Luftgewehre zur Hand, die dem Verein gehören, über die sie aber in Trainingseinheiten zuvor viel gelernt haben. «Klar, auch Waffenkunde gehört in den theoretischen Teil, den wir den Jugendlichen vermitteln», so Reto.

Pamir auf, zielen, ausatmen und abdrücken. Sie ziehen die Zielscheibe zurück und kontrollieren die Treffer. «Gut», lobt Reto Michael. Er schaut zurück und nimmt das Ziel sogleich wieder ins Visier. Ganz rechts übt Tim. Er weiss, dass er ein guter Schütze ist. Die Anerkennung holt er sich beim Blick auf die Zielscheibe. Das Luftgewehr wird gesichert. Eine kurze Pause.

Opa an den Wettkampf geschleppt

Nicht immer stossen die Schützinnen und Schützen auf Begeisterung, wenn sie von ihrem sportlichen Hobby erzählen. «Einige setzen es mit Jagd gleich», sagt Sonja. Maya erzählt von ihrem Opa, der ganz und gar nicht begeistert war. «Er hat gemeint, wir ballern einfach rum», so die 14-Jährige. «Bis ich ihn dann einesTages an einen Wettkampf geschleppt habe. Seither habe ich seine volle Unterstützung.» Reto Schnyder schmunzelt. Er, der sich selbst so etwas wie der «Götti» dieser Jungschützinnen und Jungschützen nennt, verfügt über reichlich Erfahrung. Und diese Erfahrung gibt er weiter. Er hat sich dieser Jugendförderung verschrieben, opfert viel Freizeit und Energie. «Fachkenntnis ist das eine, Spass und Freude am Sport das andere, das ich den Jugendlichen mitgeben will. Gleichzeitig lernen sie hier etwas fürs Leben », so Reto Schnyder. Die Entschädigung für sein Engagement sind die Entwicklungen seiner Schützlinge, die er beobachten kann. Auch ausserhalb des Schiesskellers trifft man sich zu gemütlichem Zusammensein, denn auch die Gruppendynamik spielt eine Rolle. Auch wenn jede und jeder ein Einzelsportler ist, so herrscht kein Neid. Man freut sich über die Resultate der andern.

In erster Linie

Auch wenn die Resultate keine unbedeutende Rolle spielen: Der Spass steht im Vordergrund. Sie sind hoffnungsvolle Talente im Schiesssport, und ob sie dereinst nationale oder internationale Spitzenschützinnen und -schützen werden, wird sich zeigen. Ein-, zweimal im Jahr holt Reto Schnyder seine Schwester nach Wangen, die Weltmeisterin Silvia Guignard- Schnyder. «Das ist dann jeweils ein Highlight.» Auch sie gibt ihre Erfahrungen weiter und zeigt Sonja, Maya, Tim und Michael, wie weit man es mit Disziplin und Konzentration bringen kann.

Stefan Grüter, Redaktion March24 & Höfe24