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Freizeit
30.01.2022
06.05.2022 15:13 Uhr

Eine wehrhafte und vielseitige Pflanze

Die Grosse Brennnessel ist hierzulande am weitesten verbreitet, daneben existieren noch weitere Arten.
Die Grosse Brennnessel ist hierzulande am weitesten verbreitet, daneben existieren noch weitere Arten. Bild: pixabay
Von den einen geliebt, von den anderen gehasst: Die Brennnessel wuchert und brennt auf der Haut, ist aber eine nützliche Heilpflanze und ein Gewinn für die Küche.

hre Berührung ist schmerzhaft, im Garten wuchert sie mitunter unkontrollierbar: die Brennnessel. Sie ist allerdings besser als ihr Ruf. Der Naturheilverein NHV Theophrastus kürte das wehrhafte und zähe Kraut unlängst wegen seiner Vielseitigkeit zur «Heilpflanze des Jahres 2022». Hierzulande ist vor allem die Grosse Brennnessel, wissenschaftlich Urtica dioica verbreitet und berühmt- berüchtigt. Verschiedene ihrer Heilwirkungen sind wissenschaftlich belegt. So wirken ihr Kraut und die Blätter innerlich angewendet leicht harntreibend, Extrakte ihrer Wurzeln bringen Linderung bei Beschwerden in Verbindung mit gutartigen Prostatavergrösserungen. Auch bei rheumatischen Erkrankungen soll die Brennnessel helfen. Sie soll zudem den Stoffwechsel und die Durchblutung anregen. Auch ihre Samen finden gemäss NHV Theophrastus in Arzneimitteln Verwendung.

Drogistin Sarah Meer misst Brennnesseltinktur ab. Bild: Franziska Kohler

Stärkende Wirkung

Für Sarah Meer, Mitinhaberin und Geschäftsführerin der auf Naturheilmittel und Paracelsus-Medizin spezialisierten Drogerie Meer in Siebnen nimmt die Brennnessel die Rolle einer sogenannten Kardinalpflanze ein. Sie ist Bestandteil vieler Heilpflanzen-Mischungen, ob als Tee oder Tinktur. Die Drogistin HF vertreibt sowohl Fertigarzneien verschiedener Hersteller wie auch eigene Produkte. «Brennnesseltee ist ein Klassiker», erklärt Sarah Meer. Er sei einfach in der Anwendung, verträglich und kostengünstig. Wegen ihres vergleichsweise hohen Gehalts an Eisen und ihrer anregenden Wirkung auf den Kreislauf eignet sich die Pflanze auch gut als Tonikum, sprich als Stärkungsmittel. Dies stehe auch im Einklang mit der Signaturenlehre des Schwyzer Arztes und Alchemisten Theophrastus Bombast von Hohenheim, alias Paracelsus (1493/94 – 1541). Ihr gerader Wuchs, die gezackten Blätter mit Brennhaaren deute auf Wehrhaftigkeit und Stärke hin. Da es damals noch nicht möglich war, Arzneistoffe isoliert zu erforschen, griffen die Menschen auf äusserliche Merkmale der Pflanzen zurück, um Rückschlüsse auf ihre Wirkung zu ziehen. Im Fall der Brennnessel hat sich dies bestätigt. «Bei Eisenmangel empfehlen wir neben einem klassischen Eisenpräparat deshalb gerne noch die Einnahme von Brennnesseltee oder Tinktur», so die Fachfrau. Es gebe in der Zwischenzeit bereits kombinierte Produkte, welche Eisen und auch Brennnesseln enthalten. Bei Verdacht auf schweren Eisenmangel rät sie allerdings, ärztlichen Rat einzuholen. Auch bei anderen, schwerwiegenden Beschwerden, empfiehlt sie dies. Naturheilkunde und Schulmedizin würden sich nicht ausschliessen, sondern im Idealfall ergänzen.

Kosmetika und Kleider

Auch in der Kosmetik finden Brennnesseln ihre Anwendung, zum Beispiel in Shampoos. Sogar Kleider lassen sich daraus herstellen – ihr Gewebe ist weich und glänzend und erinnert an Leinen. Allerdings ist die Herstellung von Nesselgewebe aufwendig und wurde Anfang des 20. Jahrhunderts vom Siegeszug der Baumwolle verdrängt.

«Kräuterfrau» Jasmin Ursprung organisiert auch Kräuterspaziergänge. Bild: zvg

Alleskönnerin in der Küche

Und nicht zuletzt hat die wehrhafte Pflanze auch kulinarisch etwas zu bieten. Ihr Geschmack erinnert an Spinat, sie eignet sich als Einlage für Suppen oder gedämpft als Gemüsebeilage. Auch Pesto lässt sich aus Brennnesseln herstellen. Jasmin Ursprung aus Lachen ist Mitgründerin der IG Kräutererlebnis Schwyzer Land und bietet regelmässig Kräuter-Spaziergänge an. Sie stellt aus Brennnesseln sogar Chips her. Dafür bäckt sie die Blätter in heissem Öl ganz kurz schwimmend aus und salzt sie danach. «Auf keinen Fall darf man sie zu lange im Öl frittieren », betont sie. «Sie sind so dünn, sie verbrennen sonst.» Auch für das Sammeln der vielseitigen Pflanze hat sie Tipps auf Lager. «Brennnesseln sind ein sogenannter Stickstoffanzeiger», erklärt die Kräuterkundige. Sie wachsen bevorzugt auf stickstoffhaltigen Böden, das heisst, wo sich Kuhfladen befanden oder auch Hundekot. Ein typisches Bild zeigt sich auf Alpen, dort wachsen sie oft unmittelbar neben dem Miststock. Wer die Brennnesseln roh essen möchte, sollte sie darum abseits von Siedlungen oder auf dem eigenen Grundstück sammeln.

Sammeln und Essen ohne Schmerzen

Damit es beim Essen keine bösen Überraschungen gibt, rät sie, die Blätter kurz mit heissem Wasser zu übergiessen. «Es hilft auch, sie in ein Tuch einzuwickeln und gut durchzukneten», fügt sie an. Dies zerstöre die Brennhaare. Auch das Pflücken der Brennnesseln hat seine Tücken. «Ich verwende dazu Handschuhe», gibt Jasmin Ursprung zu. Wen ein allfälliges Brennen nicht stört, kann versuchen, sie von unten nach oben streichend zu ernten.

Schmetterlinge lieben sie

Neben ihrer Vielseitigkeit in Hausapotheke und Küche ist die wehrhafte Pflanze ein Gewinn für die Biodiversität. Denn sie bietet einer Vielzahl von Tieren Nahrung und Unterschlupf. Einige Raupen bestimmter Schmetterlingsarten wie Tagpfauenauge oder Kleiner Fuchs ernähren sich ausschliesslich von Brennnesseln.

Gewinn für die Biodiversität: Raupen der Schmetterlingsart «Kleiner Fuchs» fressen vorwiegend Brennnesseln. Bild: pixabay

Wucherndes Grün

Wer sich im eigenen Garten ein Brennnessel-Biotop schaffen möchte, sollte sich bewusst machen: Wenn sie sich wohlfühlt, ist sie kaum mehr zu stoppen. Das kann durchaus das Ende des gepflegten Rasens oder des Blumenbeets bedeuten. Denn sie verbreitet sich nicht nur mittels Samen, sondern auch über unterirdische Rhizom-Ausläufer. Da hilft laut Ueli Forrer, Geschäftsführer der Gärtnerei Forrer in Wollerau, nur Ausgraben oder Vergiften. «Heute gibt es dafür sehr selektive Mittel», erklärt er. Mit diesen werde die Blattmasse besprüht, dies zeige die grösste Wirkung. Nach 10 bis 14 Tagen seien die Herbizide wieder abgebaut. Wer trotzdem Brennnesseln im Garten dulden möchte, dem rät Forrer, sie regelmässig zu schneiden – und zwar bevor sie Früchte und damit Samen ausbilden können.

Fruchtstände der Brennnessel Bild: pixabay
Franziska Kohler, Redaktion March 24 und Höfe 24